1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Vietnam macht keinen Rückzieher"

Rodion Ebbighausen4. April 2016

Die vietnamesische Küstenwache gab bekannt, dass sie bereits am Donnerstag voriger Woche ein chinesisches Schiff aufgebracht hat. Bill Hayton ordnet den Vorfall für die Deutsche Welle ein.

https://p.dw.com/p/1IP4E
Karte Südchinesisches Meer Besitzanspruch China Deutsch

Das chinesische Schiff war am Donnerstag (31.03.2016) nach Angaben der vietnamesischen Küstenwache in der Nähe der Inesl Bach Long Vi beschlagnamt, die Besatzung verhaftet und in die vietnamesische Hafenstadt Haiphong gebracht worden. Es soll etwa 100.000 Diesel-Treibstoff geladen haben und damit als eine Art Tankstelle für chinesische Fischer fungiert haben.

Deutsche Welle: Warum hat die vietnamesische Regierung fünf Tage gewartet, bevor sie die Festsetzung des chinesischen Schiffes bekanntgegeben hat?

Bill Hayton: Alles, was mit China zu tun hat ist sehr heikel. Die Behörden wollten sichergehen, dass sie von ihren Vorgesetzten zu 100 Prozent gedeckt werden, bevor sie an die Öffentlichkeit gehen und so einem peinlichen Konflikt vorbeugen.

Die vietnamesische Seite behauptet, dass das chinesische Schiff in der Nähe der Insel Bach Long Vi aufgegriffen wurde. Was das Schiff damit in vietnamesischen Gewässern?

Das ist Insel die auf etwa halber Strecke zwischen Vietnam und China liegt. Etwa 110 Kilometer von Vietnam und 130 von China entfernt. Sie liegt auf der vietnamesischen Seite der Grenzlinie. Sie misst etwa einen Kilometer im Durchmesser. Die Insel war lange Zeit Gegenstand der Territoralstreitigkeiten beider Länder, aber inzwischen hat man sich darauf geeinigt, dass es vietnamesisches Territorium ist. 1999 bzw. 2014 haben beide Seiten im Golf von Tonking eine Einigung erzielt und eine maritime Grenzlinie gezogen. Dabei war die Insel auf der vietnamesischen Seite.

Außerdem wurden relative komplizierte Regelungen für den Fischfang vereinbart. Es gab temporäre und dauerhafte gemeinsame Fischereizonen. Diese Regelungen sind nach wie vor weitgehend gültig. Ich würde diesen Zwischenfall als Vorstoß eines chinesischen Fischers sehen, der gegen die Abkommen seiner und der vietnamesischen Regierung verstoßen hat. Sie wollen nur Fisch fangen. Keineswegs geht es darum, dass der chinesische Staat den vietnamesischen herausfordern will.

Bill Hayton
Bill Hayton. Autor von "The South China Sea".Bild: Nick Strugnell

Handelt es sich bei dem Zwischenfall dennoch um eine neue Qualität?

Neu ist, dass darüber gesprochen wird. Es kann sogar das erste Mal sein, dass ein Schiff auf diese Weise festgehalten wird. Das Problem ist aber, dass die Presse in China und Vietnam unfrei ist und wir deswegen oft nicht wissen, ob wir etwas Neues sehen oder nur zum ersten Mal einen Bericht über etwas lesen, was bereits zuvor geschehen ist.

Nehmen wir an, dass es etwas Neues ist. Selbst in den schwierigsten Phasen der chinesisch-vietnamesischen Beziehungen war die Kooperation im Golf von Tonking immer relativ gut. Auf dem Höhepunkt der Krise von 2014 gab es weiterhin Diskussionen und Arbeitstreffen zum Golf von Tonking.

Ich wäre nicht überrascht, wenn die Vietnamesen zuvor mit den Chinesen gesprochen haben, bevor sie etwas unternommen haben. Beide Seiten haben eine klare Vereinbarung, das Schiff war in der falschen Zone, was heißt, dass die Chinesen wenig dagegen sagen können, wenn die Vietnamesen ihre eigenen Gewässer patrouillern.

Zurzeit formiert sich die vietnamesische Regierung neu. Sehen Sie eine Verbindung zur Bekanntgabe der Festsetzung des chinesischen Schiffs?

Das ist möglich. Es könnte sich um ein Signal der kommunistischen Partei Vietnams handeln: Wir machen vor China keinen Rückzieher. Und sie gehen dabei kein Risiko ein. Es handelt sich nicht um umstrittene Gewässer, sie haben das Recht auf ihrer Seite und China wird es schwerfallen, dagegen etwas vorzubringen.

Bill Hayton ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Asienprogramm von Chatham House. Er veröffentlichte bei Yale University Press 2014 das Buch "The South China Sea".

Das Interview führte Rodion Ebbighausen.