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Vietnamesische Mauer in Berlin

Sebastian Schubert 27. November 2004

Mehr als 10.000 Vietnamesen leben in Berlin. Als die Mauer 1989 fiel, gab es auch für sie eine unverhoffte Wiedervereinigung. Wegen der Kriegsvergangenheit in Vietnam ist diese für viele noch immer schwierig.

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Nord-Süd-Denken statt Ost-West-Konflikt?Bild: AP

Nach dem Mauerfall 1989 trafen knapp 2500 Vietnamesen in Westberlin auf rund 5000 Vietnamesen in Ostberlin. Für die meisten eine zwiespältige Wiedervereinigung. Nord- und Südvietnamesen waren und sind sich bis heute fremd. Angst und Abgrenzung bestimmen den Alltag zwischen den einstigen Kriegsgegnern. Und das, obwohl man sich anfangs gegenseitig half. Aber das war wirklich nur am Anfang.

Man bleibt unter sich

Cap Anamur Boat People gerettet
Ende der 1970er-Jahre wagten viele Vietnamesen die Flucht über das MeerBild: dpa

Wenn Thi Tran von ihren nordvietnamesischen Landsleuten als "Genossin" angesprochen wird, bekommt sie Beklemmungen. Sie ist Südvietnamesin und hat die Flucht vor den Kommunisten in einem winzigen Boot überlebt. Der Mauerfall und der Kontakt mit Nordvietnamesen rief alte Ängste in ihr wach. Aus Angst um ihre Familie, die noch immer in Vietnam lebt, gibt sie einen falschen Namen an. "Sie sind anders als wir. Sie sehen so wie wir aus, sie sprechen auch die gleiche Sprache wie wir, aber wir unterscheiden uns durch die Gedanken. Wir sind nicht eins, wir sind verschieden hier."

Dass die Nordvietnamesen anders als ihre Landsleute aus dem Süden sind, liegt an den unterschiedlichen Voraussetzungen, unter denen sie nach Deutschland kamen. Die Nordvietnamesen entstammten meist politischen Kaderfamilien, wurden von den Behörden in separaten Wohnvierteln untergebracht und bekamen Arbeit zugewiesen. Der Kontakt mit Deutschen war nicht erwünscht, eine Familie zu gründen, war verboten. Schwangere Frauen mussten abtreiben oder in die Heimat zurückkehren. Insofern war es kein Wunder, dass die meisten Nordvietnamesen unter sich blieben.

Warten auf den Neuanfang

Le Duc Duong ist Nordvietnamese, er gehörte zur ersten Generation der Vietnamesen in der DDR. Er organisiert heutzutage Beratungsveranstaltungen für seine Landsleute - tief im Osten der Stadt. In den Westen hingegen fährt Duong nur selten. Er hat die Entwicklung zwischen Nord- und Südvietnamesen in Berlin seit dem Mauerfall genau verfolgt. Er ist enttäuscht von den Südvietnamesen.

Und so bleiben die Vietnamesen in Berlin weiterhin ein geteiltes Volk. Doch eins haben beide Lager gemeinsam: Berlin ist zur neuen Heimat geworden. Einig sind sich viele Vietnamesen in der Hoffnung auf die Zukunft. Le Duc Duong hofft, dass spätere Generationen die vietnamesische Mauer in Berlin eines Tages einreißen können. Er wartet noch immer auf ein Ende des Kalten Krieges in Berlin: "Was damals war, soll Vergangenheit sein, und wir wollen alles von neuem anfangen."