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Das Verbrechen ist so international wie das Internet selbst

Erik Albrecht (Euranet)30. Januar 2009

Vielen Internetnutzern sind sie einfach nur lästig: Spam-Mails. Doch für Kriminelle sind Spam, Phising, Viren und Trojaner zu einer wichtigen Einnahmequelle geworden. Verbrecher sind so international wie das Internet.

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Zwei Hände tippen auf einer Laptop-Tastatur(5.2.07/AP)
Die Kriminellen sind im Internet zuhauseBild: AP

"Wir sind hoch erfreut, Ihnen mitteilen zu können, dass Sie unter der folgenden Ticketnummer eine Million großartige Britische Pfund gewonnen haben", schreibt eine gewisse Nationale Lotterie des Vereinigten Königreichs – unaufgefordert. Um den Gewinn antreten zu können, heißt es in der mit Rechtschreibfehlern gespickten Mail, müsse man lediglich einige persönliche Angaben weiterleiten. Darunter: Adresse, Alter, Geschlecht, Telefonnummer und Beruf.

Informationen sind heiße Ware

Die Million bekommt man danach nie zu Gesicht, dafür haben Internetkriminelle kräftig in ihrer eigenen Währung verdient und die heißt Information. Ging es noch vor ein paar Jahren Hackern vor allem darum, ihre Fähigkeiten als Programmierer mit bösartigen Virusattacken unter Beweis zu stellen, hat sich heute längst auch die kriminelle Seite des Internets kommerzialisiert. Das meint zumindest Stanislaw Schewtschenko von der russischen Software-Firma Kaspersky Lab, einer der großen Hersteller von Antivirenprogrammen weltweit.

"Ihre ganze Aktivität ist darauf ausgerichtet, Vorteile zu erzielen. Und Vorteile bedeuten Geld", so Stanislaw Schewtschenko. Das bedeutet: Wenn von jemandem eine bestimmte Information geklaut werden könne, könne man mit dieser Information auf irgendeine Art Geld verdienen. "Womit verdienen Kriminelle also heute Geld? Durch die Beschaffung und den Weiterverkauf beliebiger Informationen", sagt Schewtschenko.

Der Gewinn entpuppt sich als Falle

Kartonweise Euro-Scheine
Geld verdienen übers InternetBild: dpa

Mit den persönlichen Daten des vermeintlichen Lottogewinns lässt sich Werbung im Netz punktgenau auf den Internetuser ausrichten. Antworten Gutgläubige auf so genannte Phishing-Mails, können Kriminelle manchmal deren gesamtes Konto plündern. Die Mails fordern angeblich im Namen einer Bank dazu auf, Konto- und PIN-Nummern auf einer Webseite einzutragen. Mit Firmendaten ist von Erpressung bis zum Weiterverkauf an die Konkurrenz alles drin.

Und das Geschäft lohnt sich: 100 Milliarden Dollar erwirtschaften Kriminelle pro Jahr im Internet, schätzt die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, OSZE. Anderen Schätzungen zufolge machen Verbrecher mittlerweile mehr Geld im Internet als durch den Drogenhandel. Stanislaw Schewtschenko ist der Meinung, dass die Verbrecher nicht mehr wie früher Einzelkämpfer seien, sondern organisierte Firmen. "Es existiert eine ganze Industrie. Es gibt einen richtigen Produktionsprozess. Wenn Sie einen schädlichen Code haben wollen, der ein bestimmtes System attackiert, bestellen Sie ihn nicht direkt beim Programmierer, sondern bei einem Broker, der als Mittelsmann dient."

Nur Zusammenarbeit kann Schlimmeres verhindern

Im Internet werden nicht nur Verbrechen, sondern auch Verbrechergruppen virtuell. Oftmals kennen Kriminelle nur den Nickname ihres Kompagnons, wissen nicht einmal, in welchem Land er wohnt. Die Polizei operiert dagegen nur mühsam über Ländergrenzen hinweg. Den Kriminellen setzen Kaspersky Lab und die anderen Antivirus-Firmen ihre eigenen Armeen entgegen. Bei Kaspersky Lab etwas durchforsten 90 Mann das Netz rund um die Uhr nach neuen Viren, Trojanern und Würmern. Einmal im Monat tauschen die Firmen ihre Virus-Informationen untereinander aus – der gemeinsame Feind macht die Konkurrenten zu Verbündeten.

Immer wieder führten ihre Spuren nach Russland, erklärte Interpol im Dezember in Moskau. Damit ist Russland neben China und Brasilien eines der weltweiten Zentren der virtuellen Unterwelt. "Wir finden immer wieder sehr ausgefeilte Codes, die unsere Landsleute geschrieben haben", erzählt Stanislaw Schewtschenko. Das zeuge vom hohen technischen Niveau der Bevölkerung. "Aber mir ist es unangenehm, dass einige unserer Bürger auf die falsche Seite gewechselt sind".

Ausgefeilte Techniken

Ein Laptop mit Würmern auf dem Bildschirm(15.08.2003)
Viren, Würmer und Phishing-Mails sind der neue Trend bei VerbrechernBild: dpa

Schwache Gesetze und Korruption innerhalb der Polizei machten es in Russland aber auch in China oder Brasilien Hackern besonders leicht, meinen Experten. Die Kriminellen können derweil weitgehend ungestört ihre Methoden verfeinern. Der herkömmliche Spam mit leicht durchschaubaren Sexangeboten wird dabei immer unwichtiger. Mehr und mehr versucht man gezielt, mit so genannten Trojanern an Informationen von potenziell lukrativen Personengruppen wie Topmanagern zu kommen.

"Der zweite Trend sind Zombie-Netzwerke, so genannte Botnetze", erklärt Schewtschenko. Dabei werde der Computer mit einem Steuerungsmodul infiziert. Das bedeute, er werde zu einem Teil eines Netzwerkes und jemand anders könne ihn steuern. "Der kann ein beliebiges Kommando geben, zum Beispiel: "Gehe auf eine gewisse Seite." Wenn das Netzwerk groß ist und eine Millionen Computer auf die Webseite gehen, dann blockieren sie damit ganz einfach deren Arbeit."

"Denial of Service" heißt das in der Computerwelt. Denn wenn der Internetauftritt etwa von Onlineshops zusammenbricht, gehen den Firmen Millionenumsätze verloren. Und noch eine Sorge plagt die Wirtschaft: Sollte Internetkriminalität in Zukunft überhand nehmen, könnten die Verbraucher ihr Vertrauen in das Netz verlieren. Doch wenn die Menschen nicht mehr bereit wären, ihre Kreditkartennummern im Internet einzugeben, müsste der Online-Handel sein Geschäftsmodell ebenfalls überdenken.