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Keine Visa-Freiheit

23. Februar 2012

Die politische Führung in Kiew beteuert, die Ukraine habe die Bedingungen für eine Visa-Liberalisierung mit der EU nahezu vollständig erfüllt. Unabhängige ukrainische Experten sehen das allerdings ganz anders.

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Ein Antrag auf Erteilung eines Schengen-Visums in deutscher Sprache ist symbolisch vor einer Europafahne zu sehen (Foto: dpa)
Antragsformular für ein Schengen-VisumBild: picture-alliance/dpa

Nach Auffassung des Wissenschaftlichen Direktors des Kiewer Instituts für Euro-Atlantische Zusammenarbeit, Oleksandr Suschko, hat die ukrainische Seite bisher nur etwas mehr als die Hälfte ihrer "Hausaufgaben" erledigt. "Die Regierung behauptet, der Aktionsplan zur Liberalisierung der Visa-Bestimmungen mit der Europäischen Union sei bereits zu 90 Prozent umgesetzt. Unserer Auffassung nach sind aber erst etwa 65 Prozent der Arbeit geschafft", sagte Suschko im Gespräch mit der DW.

Er betonte, die notwendigen Gesetze über Migration sowie Korruptions- und Kriminalitätsbekämpfung habe die Ukraine inzwischen verabschiedet. Doch die Schaffung einer unabhängigen Anti-Korruptions-Behörde sowie die Verabschiedung eines Anti-Diskriminierungsgesetzes seien bislang genauso gescheitert wie die Einführung neuer biometrischer Pässe.

Ein polnischer Grenzbeamter kontrolliert die Papiere eines ukrainischen Staatsangehörigen
Brüssel fordert die Einführung biometrischer PässeBild: picture-alliance/dpa

Geschäftsinteressen als Hindernis?

Ein Hindernis auf dem Weg zum visafreien Reiseverkehr zwischen der EU und der Ukraine ist unter anderem der Streit zwischen Vertretern des ukrainischen Justizministeriums und Abgeordneten der regierenden "Partei der Regionen". Dabei geht es um die Einführung biometrischer Pässe. Eine Gruppe von Parlamentariern aus der "Partei der Regionen" hat einen Gesetzentwurf über die Einführung der neuen Pässe erarbeitet. Das Justizministerium legte hingegen einen eigenen Gesetzentwurf vor.

Welchen der Entwürfe das Parlament annehmen und ob dieser dann auch vom Präsidenten unterschrieben wird, ist zurzeit völlig unklar. "Es besteht die Gefahr, dass Interessenskonflikte innerhalb der Regierung die Umsetzung des Plans zur Visa-Liberalisierung verzögern", so Suschko. Hintergrund des Streits sind offenbar Geschäftsinteressen verschiedener Gruppierungen innerhalb der Staatsmacht. Dabei geht es offenbar auch darum, wer den finanziell attraktiven Zuschlag für die Herstellung der biometrischen Pässe bekommt.

Politische Gründe kommen hinzu

Wegen der Verzögerungen durch die ukrainische Politik rechnen Beobachter nicht damit, dass es in den kommenden zwei Jahren zu einer Aufhebung der Visa-Pflicht kommt. Auch aus politischen Gründen könnte die Visa-Liberalisierung auf sich warten lassen. Serhij Donskij vom Kiewer Institut für Public Policy ist überzeugt, dass die EU insbesondere wegen des Justizbereichs in der Ukraine besorgt sei.

Julia Timoschenko im Gerichtssaal in Kiew nach ihrer Verurteilung (Foto: AP/dapd)
Julia Timoschenko wurde wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteiltBild: dpad

Solange die ehemalige ukrainische Regierungschefin und Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko und der ehemalige Innenminister Jurij Luzenko hinter Gittern sitzen, sei mit einem visafreien Reiseverkehr zwischen Ukraine und EU nicht zu rechnen. "Die Kritik der EU an der ukrainischen Regierung, sie erfülle nicht den Plan zur Visa-Liberalisierung, ist auch ein Weg, um politische Gefangene freizubekommen", meinte Donskij gegenüber der DW.

Der Visa-Dialog zwischen der EU und der Ukraine wurde offiziell im Oktober 2008 aufgenommen. Im Mai 2009 wurde in Prag auf dem Gipfeltreffen der EU mit den Mitgliedsländern der EU-Initiative "Östliche Partnerschaft", der die sechs ehemaligen Sowjetrepubliken Ukraine, Belarus, Moldau, Georgien, Aserbaidschan und Armenien angehören, das Ziel bekräftigt, langfristig die Visa-Pflicht aufzuheben.

Autorin: Lilia Grischko / Markian Ostaptschuk
Redaktion: Bernd Johann