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Weiter ohne Visum?

17. November 2010

Russland hat jüngst die Visaregeln für Deutsche verschärft. Die Ukraine ist vor fünf Jahren mit der Aufhebung der Visumpflicht für EU-Bürger einen anderen Weg gegangen. Dieser hat nach wie vor Befürworter und Kritiker.

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Ukrainischer Grenzübergang (Foto: RIA Novosti)
Durch Visafreiheit kamen auch mehr Sex-Touristen aus der EU in die UkraineBild: Fotolia/berc

Seit Mai 2005 brauchen Bürger der Europäischen Union, der USA, Kanadas, Japans und anderer Länder kein Visum für die Einreise in die Ukraine, wenn sie sich bis zu 90 Tagen dort aufhalten. Die Visumpflicht wurde damals kurz nach dem Amtsantritt von Präsident Viktor Juschtschenko aufgehoben.

Deutscher Reisepass und EU-Fahne (Foto: dpa)
Visafreie Einreise für EU-Bürger seit fünf JahrenBild: picture-alliance/dpa/Helga Lade Fotoagentur GmbH/DW

Gründe habe es dafür mehrere gegeben, meint Valerij Tschalyj vom Kiewer Rasumkow-Forschungsinstitut. "Man wollte, dass mehr Touristen kommen und Investoren leichter in die Ukraine einreisen können", so der Experte für europäische Integration. "Aber der Hauptgrund war eine politische Entscheidung, denn man wollte die europäische Integration beschleunigen, auch mit dem Ziel, Visafreiheit auf beiden Seiten herzustellen."

Ziel nicht erreicht

Jetzt, fünf Jahre später, hält der Experte die damalige Entscheidung nach wie vor für richtig. Das Ukraine-Bild in der Welt habe sich verbessert, Investoren könnten leichter arbeiten und der Zustrom von Touristen vor allem aus westlichen Ländern habe deutlich zugenommen. Nach verschiedenen Schätzungen kommen seit der Abschaffung der Visumpflicht jährlich 20 bis 30 Prozent mehr Touristen ins Land.

Aber das eigentliche Ziel, die Aufhebung der Visumpflicht für ukrainische Bürger seitens der EU, wurde nicht erreicht. Kiew und Brüssel verhandeln darüber seit Jahren. Die ukrainische Seite beschwert sich, die EU wolle die Visumpflicht gar nicht abschaffen und ziehe deswegen die Verhandlungen in die Länge. Im Gegenzug beklagen die Europäer, die Einführung biometrischer Reisepässe lasse in der Ukraine immer noch auf sich warten. Auch beim nächsten Ukraine-EU-Gipfel am 22. November in Brüssel wird die Visafrage voraussichtlich wieder eines der Hauptthemen sein.

Mehr Sextouristen

Aktivistinnen der Femen-Gruppe n Kiew (Foto: dpa)
Protestaktion von Femen-Aktivistinnen in KiewBild: picture alliance/dpa

Die Visafreiheit habe für die Ukraine auch negative Folgen. Nicht alle Touristen kämen mit guten Absichten, meinen Kritiker. Vor allem ukrainische Frauenorganisationen beklagen einen zunehmenden Sextourismus.

Die Kiewer Femen-Gruppe, deren Vertreterinnen mit aufsehenerregenden Aktionen öffentlich auf sich aufmerksam machen, ist eine von ihnen. Unter dem Motto "Die Ukraine ist kein Bordell!" protestierten sie bereits gegen zunehmende Prostitution. Die Leiterin der Gruppe, Anna Huzol, ist überzeugt, dass die Abschaffung der Visumpflicht für EU-Bürger den Sextourismus in der Ukraine begünstigt hat. "Viele Ausländer kommen genau in die Clubs, wo sie junge Frauen kennen lernen können", sagte sie. Deutlich mehr Touristen seien im Kiewer Nachtleben anzutreffen und nicht im Höhlenkloster oder an anderen Sehenswürdigkeiten.

Gescheiterter Versuch

Der Sextourismus ist aber nicht der einzige Grund, den Befürworter einer Wiedereinführung der Visumpflicht für EU-Bürger in der Ukraine nennen. Anfang 2010 wurde im ukrainischen Parlament gemeinsam von fast allen Fraktionen ein entsprechender Gesetzentwurf eingebracht - von der damaligen oppositionellen Partei der Regionen bis hin zur damaligen Regierungspartei, dem Block Julia Timoschenko - mit der Begründung, mit Visa-Gebühren die Staatskasse aufzubessern.

Beobachtern zufolge war dies aber nur der Versuch, die EU unter Druck zu setzen, mit dem Ziel, Visa-Erleichterungen für ukrainische Staatsbürger durchzusetzen. Jener Gesetzentwurf wurde nicht verabschiedet. Die Visafreiheit für EU-Bürger blieb somit bestehen. Seit August dieses Jahres müssen EU-Bürger an der ukrainischen Grenze auch keine Einreisekarte mehr ausfüllen.

Autor: Roman Goncharenko / Markian Ostaptschuk
Redaktion: Gero Rueter