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Volk ohne Staat

Ullrich von Schwerin15. September 2004

Die Kurden sind eines der größten Völker ohne eigenen Staat. Sie leben in der Türkei, im Irak, Iran und Syrien und haben überall die gleichen Probleme. Viele der verfolgten Kurden flohen auch nach Deutschland.

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Die Kurdengebiete im Nahen OstenBild: APTN

Nicht aus Liebe zum Land kamen die kurdischen Asylsuchenden in die Bundesrepublik. Die meisten waren gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Zuhause wurden sie verfolgt: Die einen, weil sie sich für Kultur und Menschenrechte einsetzten, die anderen, weil sie gegen die Regierung kämpften. Diskriminierung, Ablehnung ihrer Forderung nach Autonomie und Unterdrückung ihrer Widerstandbewegungen sind Probleme, die dem staatenlosen Volk überall begegnen.

Diese Erfahrung musste auch Ahmad Barbar machen. 1981 musste er aufgrund seiner politischen Aktivitäten bei der Demokratischen Partei Kurdistans den Irak verlassen und fand Asyl in Deutschland. Doch der Übergang fiel ihm nicht leicht. Sein Ingenieursstudium konnte er nicht beenden, stattdessen arbeitete er als Dolmetscher und Übersetzer für kurdische Flüchtlinge.

Kennt die Heimat nur aus Erzählungen

Adel Hassan Pour hingegen gehört zu einer anderen Generation. Der 20-jährige Student kann sich kaum noch an den Iran erinnern, sein Geburtsland, in dem er die ersten fünf Jahre seines Lebens verbrachte. Auch die Diktatur im Iran kennt er nur aus Erzählungen seines Vaters, der politisch aktiv war. "Der Grund, warum mein Vater nach Deutschland gekommen ist, ist kein spezifischer, sondern er ist Halsüberkopf nach Teheran gefahren und hat dort die nächste Maschine in ein demokratisches Land genommen", erzählt Adel Hassan Pour.

Seine Familie holte Vater Pour später nach. Sohn Adel Hassan lebte sich schnell in Deutschland ein. Die Sprache lernte er, wie die meisten kleinen Kinder, innerhalb weniger Monate. Inzwischen hat er die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt, weil er in dem Land, in dem er lebt, auch politisch mitbestimmen möchte. Vergangenes Jahr hat er seinen Zivildienst abgeleistet: im Goethe-Institut. Dort betreute er ausländische Studenten, die Deutsch lernen und die deutsche Kultur kennen lernen wollen. Doch so ganz als Deutscher fühlt er sich trotzdem nicht - nur wenn er im Ausland ist. In Deutschland könne man allein wegen der schwarzen Haare und dem südländischen Aussehen nicht sagen, dass man Deutscher sei.

Als Kurde geboren und als Kurde sterben

Auch Ahmad Barbar hat die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt und bekommen. Dass der deutsche Pass nicht reicht, um als Deutscher akzeptiert zu werden, ist ihm klar. Er wollte trotzdem nicht sein Leben lang Asylant bleiben. Emotional fühlt sich Ahmad Barbar weiterhin seiner kurdischen Heimat verbunden: "Ich bin als Kurde geboren, ich glaube, ich bleibe Kurde und sterbe als Kurde." Dass er auf dem Papier Deutscher ist, bereitet ihm keine Identitätsprobleme - schließlich entsprach auch im Irak seine kulturelle Identität nicht seinem Pass.

In den Irak zurückgehen möchte Ahmad Barbar allerdings nicht. Er schätzt die Freiheit in Deutschland. Wie viele Flüchtlinge ist er in der neuen Heimat politisch aktiv geblieben.

Kurdische Kultur "in light"

Vor kurzem war Adel Hassan Pour das erste Mal wieder bei seiner Familie im Iran. "Es war ein bisschen wie wieder nach Hause zu fahren", beschreibt er. Gleichzeitig habe er aber auch gemerkt, dass ihm die Kultur sehr fremd geworden ist: "So wie ich in Deutschland lebe, ist das kurdische Kultur, aber nur in light. Ich habe für mich entschieden, dass ich in Europa bleiben werde."

Auch die Kinder von Ahmad Barbar sehen ihre Zukunft in Deutschland. Trotz der Bemühungen ihres Vaters sprechen sie nicht kurdisch und die politischen Kämpfe seiner Generation interessieren sie nicht mehr. Vielleicht sei er der letzte Kurde in der Familie, hier in Deutschland, sagt Ahmad Barbar wehmütig.