1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Volkes Stimme zählt

15. Februar 2002

– In Tschechien soll per Referendum über den EU-Beitritt entschieden werden

https://p.dw.com/p/1rFN

Prag, 14.2.2002, PRAGER ZEITUNG, deutsch, Ewald Trojansky

Tschechiens Abgeordnetenhaus hat ein Verfassungsgesetz zur Durchführung von Referenden mit knapper Mehrheit angenommen; wenn nun auch noch der Senat zustimmt, wird das Volk der Böhmen, Mährer und Schlesier unter anderem über den Beitritt in die EU abstimmen können.

Damit würde sich das Land in die Reihe jener Staaten einreihen, die per Referendum eine Zustimmung suchen. Auch in Estland und der Slowakei sollen die Wahlbürger entscheiden, ob sie in die Europäische Union eintreten wollen oder lieber draußen bleiben. Noch offen ist die Art der Abstimmung in Ungarn und Slowenien. In Polen wird das Parlament entscheiden, ob es selbst zu dieser Frage abstimmt; für einen positiven Entscheid der Volksvertreter zur EU ist allerdings eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich.

Dabei könnte es aus Sicht der Regierenden bei einem Volksentscheid durchaus zu der einen oder anderen unliebsamen Überraschung kommen. Das Referendum zum Beitritt ist, anders als man im Westen glaubt, durchaus kein Selbstläufer; Unvergessen ist die Haltung der unbeugsamen Norweger - die zweimal 1972 und 1994 - eine EU-Mitgliedschaft ablehnten.

Meinungsumfragen der Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung vom Sommer vergangenen Jahres zeigen, dass von den aktuellen Beitrittskandidaten nur Ungarn und die Slowakei mit 54 beziehungsweise 53 Prozent klare Mehrheiten der EU-Befürworter aufweisen. In Polen und Tschechien liegt die Zustimmung bei 44 beziehungsweise 42 Prozent, der Anteil der harten EU-Gegner bei 33 beziehungsweise 28 Prozent. Im kleinen Estland haben die Gegner sogar eine klare Mehrheit: 48 Prozent sind gegen einen Beitritt, nur 29 Prozent sind dafür und das, obwohl das Land als einer der am Besten vorbereiteten Kandidaten gilt - die europäischen Rechtsnormen wurden schon zu achtzig Prozent umgesetzt, die politischen Verhältnisse sind stabil, die Wirtschaft vergleichsweise dynamisch. (...)

Es scheint auch fraglich, ob die neuen Mitglieder einem stärkeren politischen Zusammenschluss - wie er beispielsweise in Deutschland gefordert wird - mit der damit einher gehenden Abtretung neuer Rechte an europäische Körperschaften wollen. Wenn Referenden über die EU-Mitgliedschaft nicht mit dem einen oder anderen Desaster enden sollen, wird man noch einige Überlegungen anstellen und einiges an Überzeugungsarbeit leisten müssen. (ykk)