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Volksfest mit Nostalgiecharakter

3. Oktober 2011

Hundertausende Gäste zog es vom 1. bis zum 3. Oktober in die frühere Hauptstadt Bonn, um das Deutschlandfest und den Tag der Deutschen Einheit zu feiern. Beim Besuch des alten Regierungsviertels bekamen einige Wehmut.

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Das Palais Schaumburg war Amtssitz des ersten deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer (Foto: Arne Lichtenberg
Das Palais Schaumburg war Amtssitz des ersten deutschen Bundeskanzlers Konrad AdenauerBild: DW

Wenn der Bundespräsident als deutsches Staatsoberhaupt die Bevölkerung in seinen Garten einlädt, dann strömen die Menschen in Scharen. An den Sicherheitsschleusen auf der Adenauerallee in Bonn vor der Villa Hammerschmidt geht es zu wie bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen: Taschen müssen auf das Band gelegt werden und werden durchleuchtet, metallische Gegenstände muss man aus den Hosentaschen holen. Dann läuft man durch den Metalldektor, und wenn es piept, wird man noch einmal separat abgetastet. Keine Frage - der Sicherheitsaufwand ist hoch. Dafür wird man dann von dem belohnt, was hinter den Sicherheitstoren kommt: Dann steht man nämlich mitten im Garten der Villa Hammerschmidt, dem früheren Amts- und Wohnsitz des deutschen Bundespräsidenten. Heute ist es dessen zweiter Dienstort, nach dem Schloss Bellevue in Berlin. Kinder toben, es gibt viel zu sehen und zu tun, und das Wetter spielt bei strahlendem Sonnenschein auch mit.

Volksnahe "First Lady"

Besucher bevölkern den Garten der Villa Hammerschmidt (Foto: Arne Lichtenberg)
Volksfest im Garten der Villa HammerschmidtBild: DW

Mitten unter die vielen Leute im Garten hat sich auch die "First Lady" gemischt: Bettina Wulff, die Frau des Bundespräsidenten. Sie gibt sich ganz volksnah und ohne Berührungsängste und muss sich dafür nicht verstellen. Ein Sicherheitsbeamter in Zivil bleibt als Bodyguard mit deutlichem Abstand im Hintergrund.

Lange Schlangen haben sich auch bei den Besucherführungen für die Villa Hammerschmidt gebildet. Anscheinend haben die alten Schauplätze der Bonner Republik noch nichts von ihrer Anziehungskraft verloren, auch wenn die große Politik mittlerweile schon lange in Berlin gemacht wird.

Speisezimmer im Kanzlerbungalow. (Foto: Arne Lichtenberg)
Geschichte hautnah: Esszimmer im KanzlerbungalowBild: DW

Tatsächlich kommen viele der Besucher aus Bonn oder aus der näheren Umgebung. Sie freuen sich über die günstige Gelegenheit, einmal ohne Anmeldung die alten Insitutionen der Bonner Republik besuchen zu können.

"Wir wohnen hier in der Nähe und wollten einfach mal die Chance nutzen, das hier anzusehen. Da kommt man ja sonst so nicht rein", sagt einer der Besucher, der geduldig in der Schlange vor der Villa Hammerschmidt steht. "Mich interessiert die Villa Hammerschmidt als Ganzes. Ich war noch nie da und möchte mir das gerne einmal alles ansehen, da wo der Bundespräsident so lange Jahre gewohnt hat", sagt eine Frau, die ebenfalls auf Einlass wartet.

Kanzlerbungalow wie aus einer anderen Zeit

Nur unweit der Villa Hammerschmidt steht in einem großen Garten der Kanzlerbungalow. Ein Flachbau, der den Charme der 60er Jahre versprüht. Hier arbeiten und lebten ehemalige Kanzler wie Helmut Schmidt oder Helmut Kohl. Einige Bundeskanzler konnten sich nicht so sehr mit dem Bungalow anfreunden und suchten sich andere Wohnungen.

Das ehemalige Bundeskanzleramt in Bonn. (Foto: Arne Lichtenberg)
Im ehemaligen Bundeskanzleramt in Bonn hat heute das Bundesentwicklungsministerium seinen SitzBild: DW

Auch hier stehen die Leute in einer Schlange an. Eine Besucherin kommt gerade aus dem Kanzlerbugalow heraus und ist ganz begeistert. "Es war sehr interessant, man sah richtig noch Gebrauchsspuren."

Die Besucherin ist Lehrerin und will schon bald mit ihrer Schulklasse den Kanzlerbungalow besuchen, um Geschichte hautnah erlebbar zu machen. Denn da hat sie einige Defizite bei den Jüngeren festgestellt. Es sei sehr schade, dass von den Schülern kaum einer den heutigen Tag nutze, um sich einen Überblick über die Geschichte zu verschaffen.

"Wenn man die Schüler heute fragt, was ist der Tag der Deutschen Einheit? Ja, Tag der Einheit, weiß ich auch nicht so genau! BRD, DDR, ja das war mal."

Ein anderer Besucher schlendert auf dem Weg vor dem Bundeskanzleramt entlang. Für ihn ist dieser Tag eine ganz wichtige Angelegenheit: "Die Gegenwart kann man nur verstehen, wenn man die Geschichte ein bisschen mitgekriegt hat. Gerade das Entstehen der Bundesrepublik ist eine interessante Geschichte. Hier kann mant gelebte Geschichte erleben", sagt er. Und dann geht weiter in Richtung Kanzlerbungalow. Nebenan befindet sich das Palais Schaumburg. Dort hatte das Kanzleramt in den Anfangsjahren der Bundesrepublik seinen Sitz. Auch das Palais ist am Tag der Einheit für die Öffentlichkeit zugänglich.

Die Bundesländer zeigen sich von ihrer besten Seite

Verlässt man das alte Bonner Regierungsviertel und läuft stadteinwärts auf der Adenauerallee, kommt man an den Ständen der einzelnen Bundesländer vorbei. Wenn man vorbei kommt, überall stehen ja die Besucher in Scharen.

Eigentlich im Zentrum von Berlin, aber zum Einheitsfest auf der Adenauerallee in Bonn: das Brandenburger Tor (Foto: Arne Lichtenberg)
Von Berlin für Bonn: das Brandenburger TorBild: DW

Es ist voll, denn jedes Bundesland versucht, sich von seiner besten Seite zu zeigen: So werden landestypische kulinarische Spezialitäten geboten, Schauspieler haben extra Trachten aus den jeweiligen Regionen angezogen oder verkörpern historisch wichtige Personen.

Auch die Bundeshauptstadt Berlin hat sich für ihre ihre Präsentation in der früheren Bundeshauptstadt Bonn etwas einfallen lassen: Die Berliner spendeten zur Veschönerung der Adenauerallee eine Nachbildung des Brandenburger Tores - des Symbols der deutschen Wiedervereinigung.

Meißener Porzellan. (Foto: Arne Lichtenberg)
Meißener Porzellan im Zelt von SachsenBild: DW

Spezielle Produkte aus den Regionen, wie Meißener Porzellan aus Sachsen ist zu sehen - oder man kann im Stand Hessens im Flugsimulator einen virtuellen Anflug auf den Frankfurter Flughafen unternehmen. Oder auf einem Fahrrad den Moselradweg in Rheinland-Pfalz anfahren. Fahren muss man das Fahrrad selbst, auf einem Fernseher wird dann die Strecke abgebildet.

Und welches Bundesland hat sich am besten präsentiert? Da gibt es keine eindeutige Meinung, im Gegenteil - die Meinungen gehen weit auseinander. Kein Wunder, das Angebot ist einfach zu vielfältig.

"Von den Bayern, den Leberkäs den gibt es hier nicht so und den Backschinken den gibt es hier auch nicht. Und ein schönes Bier gab es, mein Gott sogar aus Kulmbach", schwärmt ein Exil-Franke, der seit Jahren in Bonn lebt und in dem Bayern-Festsaal ein Stück Heimat entdeckt hat.

Aber auch das Saarland schneidet mit heimischen Spezialitäten wie Zwiebelkuchen sehr gut ab. "Jedes Bundesland hat interessante Dinge zu bieten, und die Eigenarten werden hier anschaulich dargestellt. Das kann man ja so sonst nirgendwo in dieser Form noch erleben", berichet ein Besucher aus Köln. Er hat sich am Stand des Saarlands niedergelassen.

Vor kurzem erst hat er eine Schlemmerreise durch das Saarland unternommen, im saarländischen Festzelt kann er nun all die schönen Erinnerungen wieder aufleben lassen.

Autor: Arne Lichtenberg
Redaktion: Hartmut Lüning