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Nasse Volkszählung

9. April 2008

Einwände von Datenschützern braucht der Volkszähler Pedro Martínez Arbizu nicht zu fürchten. Die Objekte seiner Zählung schweigen - unter allen Umständen.

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Auch Knurrfische wollen gezählt werdenBild: AP

Gezählt werden nicht Menschen, sondern Fische, Krebse, Algen und andere Meeresbewohner. Der Direktor des Zentrums für Marine Biodiversitätsforschung in Wilhelmshaven leitet gemeinsam mit Craig Smith von der University of Hawaii das Projekt CeDAMar, das die bislang raren Erkenntnisse über die Artenvielfalt in der Tiefsee erweitern soll.

Die Aktion ist Teil des Census of Marine Life (CoML), einer weltweiten "Volkszählung der Meere". Das Ziel ist es, Veränderungen in der Vielfalt, Verteilung und Häufigkeit der Meeresorganismen zu erfassen und zu erklären. "Es geht um eine Bestandsaufnahme zur Jahrtausendwende", erläutert Martínez.

Artenschutz ist Naturschutz

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Algen gehören ebenfalls zu den MeeresbewohnernBild: DW-TV

Die gesammelten Daten dürften auch auf der UN-Biodiversitätskonferenz in Bonn eine Rolle spielen, wo Delegierte aus 190 Staaten Ende Mai über den weltweiten Schutz der Artenvielfalt über und unter Wasser beraten. 13,6 Millionen Einträge von mehr als 80.000 Arten wurden bis Ende 2007 in den CoML-Datenbanken verzeichnet.

"Ohne die Kenntnis der Arten ist es nicht möglich, Naturschutz zu betreiben", unterstreicht Angelika Brandt vom Zoologischen Institut der Universität Hamburg die Bedeutung der "Zählung". Ähnliche Ziele verfolgen die europäische Datenbank Plankton-Net und das bekanntere System "Fishbase", wo bereits mehr als 30.000 Fischarten verzeichnet und meist auch mit Fotos beschrieben sind.

Viel Unbekanntes

Martínez weist darauf hin, dass die Fischbestände in den vergangenen Jahrzehnten durch Umweltzerstörung und die Ausbeutung der Meere dramatisch zurückgegangen sind. Während sich dies durch zurückgehende Fischereierträge, aber auch durch zahlreiche wissenschaftliche Daten belegen lässt, ist über wirtschaftlich unbedeutende Meeresbewohner wenig bekannt.

Am größten sind die Wissenslücken im Bereich der Tiefsee, immerhin flächenmäßig der größte Teil der Oberfläche der Erde. "Unser Wissen über die Ozeane ist relativ oberflächlich", räumt Martínez ein. 90 Prozent aller verfügbaren Daten stammen aus den oberen Wasserschichten. Um dies zu ändern, wurde das CeDAMar-Programm gestartet.

Klimawandel auch in der Tiefsee

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Das Forschungsschiff "Polarstern"Bild: dpa

Auch Brandt befasst sich in Zusammenarbeit mit dem Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven mit der Erforschung tieferer Schichten bis zu 7000 Meter Wassertiefe und darunter. Ihr Arbeitsgebiet ist das Südpolarmeer, das ebenso wie die Arktis wegen des noch bis März 2009 andauernden Internationalen Polarjahres besonders im Fokus des Interesses steht. Brandt kann sich dabei auf Daten des Antarktis-Projekts ANDEEP stützen, die bei Expeditionen der "Polarstern", des Flaggschiffs der AWI-Forschungsflotte, unter Leitung des Meeresbiologen Julian Gutt gesammelt wurden.

Zum Einsatz kommen bei diesen Expeditionen unter anderem mit Netzen versehene Schlitten, die auf dem Meeresboden Proben einsammeln. Neben ELSE ("Erforsche Leben, Suche Einsicht") verfügt die "Polarstern" noch über drei weitere Spezialgeräte. Untersucht werden von den Forschern auch Wechselwirkungen zwischen den Wasserschichten. So wird das scheinbar autarke Leben in der Tiefsee geprägt vom Nährstoffeintrag aus oberen Wasserschichten und ist somit auch Folgen des Klimawandels ausgesetzt. "Die Tiefsee ist davon abhängig, was weiter oben passiert", sagt Martínez.

Tierische Hilfe

Seeelefanten
Seeelefanten dienen als MessstationenBild: AP

Hilfe bekommen die Forscher bei ihrer Arbeit durch tierische Gehilfen. Beispielsweise werden Seeelefanten, die immerhin mehr als 400 Meter tief tauchen können, am Kopf unter Narkose mit Kameras und Messgeräten ausgestattet. Die Wissenschaftler erhalten so präzise Daten über Wassertemperatur oder Salzgehalt und sie können sehen, wo es sich lohnt, genauer hinzuschauen.

Seeelefanten sind für derartige Experimente auch deswegen geeignet, weil sie relativ ortsfest sind und auch nach längeren Tauchgängen meist dicht an ihrem Ausgangspunkt wieder auftauchen. Als unfreiwillige Klima-Messstationen im Einsatz sind zudem auch Sturmvögel, die riesige Strecken über den Ozeanen zurücklegen. (wga)