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Volle Koffer

14. Dezember 2010

Das Germanische Nationalmuseum Nürnberg erzählt in einer neuen Ausstellung Geschichten rund um das Thema Reisegepäck. Rund 200 Exponate zeigen die Entwicklung der wachsenden Mobilität unserer Gesellschaft.

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Marlene Dietrich an Bord der "Bremen", 1931. (Foto: Richard Fleischhut/ Copyright: Ingrid Deutsche Kinemathek - Marlene Dietrich Collection Berlin)
Bild: Ingrid Peckskamp-Lürßen

Goethe tat es. Marlene Dietrich tat es. Und Thomas Mann tat es auch - Reisen. Als unentbehrliche Begleiter immer dabei: Gepäckstücke. Trotz ihrer Bedeutung führten diese Gebrauchsgegenstände bislang allerdings eher ein Schattendasein in der öffentlichen Wahrnehmung. Ausführlich hat sich jedenfalls noch keine Ausstellung mit diesen profanen Objekten der Alltagskultur beschäftigt. Jetzt hat das Germanische Nationalmuseum Nürnberg dieses Defizit beseitigt, Neuland betreten und präsentiert das Thema in all seinen Facetten. "Reisebegleiter - Koffer-Geschichten von 1750 bis heute", so lautet der Titel der rund 200 Exponate umfassenden Schau. Sie bietet unter Berücksichtigung aktueller volkskundlicher Forschungsergebnisse einen Überblick über 300 Jahre Gepäck, mit allem, was dazugehört.

Koffer mit Kofferaufklebern, 1930/1960 (Foto: GNM)
Weit gereister KofferBild: GNM

Trolleys, Reiter und Tornister

Während ein Trolley aus Leichtmetall in unserer mobilen Gesellschaft inzwischen für viele nicht nur im Flugzeug zum unverzichtbaren Requisit zählt, war das früher noch anders. Da reiste man oft auf Schusters Rappen, hatte keinen Hightech-Koffer auf Rollen dabei, sondern ein sogenanntes "Felleisen", eine mit Trageriemen versehene längliche Umhängetasche aus Leder. In ihr konnten wandernde Gesellen Mitte des 19. Jahrhunderts gut ihre Habseligkeiten unterbringen. Reiter verstauten einst ihre Utensilien vorzugsweise hinter dem Sattel in einem zusammengeschnürten "Mantelsack" aus Wolltuch. Zur Aufbewahrung von Wäsche oder Liebesbriefen dienten Soldaten beim Marsch Tornister. Außen angebrachtes Seehundsfell sollte bei schlechtem Wetter Wasser abweisen. Regenresistente Kunstfasern, aus denen moderne Trekking-Rucksäcke gefertigt sind, gab es damals ebenso wenig wie Plastiktüten.

Geschichten von Kutschen, alten Schachteln und Elefanten

Hutschachteln, um 1900 (Foto: G. Janßen/GNM)
Hüte auf ReisenBild: G. Janßen/GNM

Noch um 1900 unternahm der Heidedichter Hermann Löns Streifzüge durch seine Heimat mit einem schlichten Schürrucksack. Jetzt kann das etwas ausgeblichene Exemplar in einer Vitrine bestaunt werden. Freilich: Wer es sich leisten konnte, fuhr seinerzeit lieber bequem mit der Eisenbahn durch die Lande. Robuste Aufgabekoffer, Reisedeckenhüllen oder bestickte Taschen waren dabei en vogue, aber auch Schreibsets und raumgreifende Schachteln zum sicheren Transport von beispielsweise Hüten. Trotz der beengten Platzverhältnisse in einem Zugabteil führte man sie gerne mit sich. Werbeplakate, Gepäckkarren und ein nachgebauter Wartesaal mit Schließfächern erinnern in der Nürnberger Präsentation daran, wie grundlegend die Bahn das Reiseverhalten revolutionierte. Später sollten dann Auto und Flugzeug für weitere Neuerungen sorgen.

Geschichten von Kutschen, Promis und Elefanten

Der Koffer von Thomas Mann wird von zwei Mitarbeiterinnen in die Ausstellung gebracht (Foto: M. Runge/GNM)
Koffer von Thomas MannBild: M. Runge/GNM

Um 1800 aber waren Kutschen noch das adäquate, jedoch weitaus beschwerlichere Fortbewegungsmittel, für das eigene Koffer konstruiert wurden. Pistolen im Gepäck waren zum Schutz bei Überfällen gedacht. Auf Luxus wollte man dennoch nicht verzichten. So umfasste das Reise-Necessaire des Domherren Johann Friedrich Marquis von Hoensbroech aus Münster über 170 Einzelteile, darunter Besteck, bemalte Porzellantassen oder auch ein Fernrohr. Nicht ganz so luxuriös, sondern mit einem altmodischen Bügelkoffer seiner Schwiegermutter ausstaffiert, kehrte Thomas Mann 1952 aus seinem amerikanischen Exil nach Europa zurück.

Marlene Dietrich hingegen zählte zu ihren Reisebegleitern sogar "Elefanten", wie man seinerzeit wuchtige Schrankkoffer bezeichnete. Bis zu 80 Gepäckstücke soll die Grande Dame des Chansons manchmal mit sich geführt haben. Sie trug sie nicht, sondern ließ Dienstboten die Lasten tragen. Kurzweilige Geschichten wie diese verleihen der gelungenen Nürnberger Ausstellung die passende Würze: die Kulturgeschichte des Gepäcks als "Tour d'Horizon" mit Tiefgang und Humor.

Autor: Thomas Senne

Redaktion: Conny Paul