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Vom Baum in den Topf

12. August 2009

Es ist nicht unbedingt etwas für europäische Gaumen, aber in Westafrika weit verbreitet: Bushmeat, meist illegal gehandeltes Wildfleisch aus dem Dschungel, gilt als echte Delikatesse.

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Schimpanse (Foto: dpa)
Noch in freier Wildbahn, aber womöglich nicht mehr langeBild: AP

Suppenküchen gibt es viele in Kissy, einem sehr belebten Stadtteil von Freetown. Aber die von Janet Sedwi ist ein Geheimtipp, sagen ihre Nachbarn. Denn bei ihr gibt es jeden Tag leckeres und ziemlich exotisches Essen, das man in der Stadt schon richtig suchen muss. "Auf einem kleinen Markt kaufe ich Wildschwein, Reh und Antilope – aber vor allem Affen, es gibt da wunderbares Fleisch aus dem Dschungel – wenn man rechtzeitig kommt und die richtigen Leute kennt", erzählt die Köchin.

Heute kocht Janet Sedwi ihr Lieblingsgericht, Affensuppe, und die Nachbarn freuen sich schon. Sedwi sitzt in ihrer Freiluftküche auf einem Holzschemel, um sie herum überall Gefäße mit bunten Zutaten - Tomaten, Paprika, Maniokblätter, Pfefferschoten. Drei kleine Öfen aus Blech stehen auf dem Boden, die Holzkohle glüht, das Wasser in den großen Alu-Töpfen kocht. Es dampft - und riecht erst einmal nach Kamin und nassem Hund. In einer großen Schüssel liegt ein schwarzbehaarter Fleischberg mit einem allzu menschlichen Primatenkopf. Janet findet das völlig normal. "Wenn ich Affe zubereite, dann lege ich das ausgenommene Tier erstmal in eine Banda, ein Räuchergefäß – damit sich das Fell auch komplett ablöst. Dann ziehe ich die Haut ab und der Affe wird zerkleinert, gesalzen, getrocknet, und dann gekocht." Anschließend kommt das Fleisch wieder in die Banda und wird zum Haltbarmachen nochmal geräuchert.

Illegal, aber gern gegessen

Jedes Jahr werden in Afrika eine Million Tonnen Bushmeat konsumiert. Obwohl der Handel mit dem illegalen Wildfleisch weitgehend verboten ist, gelangt auch Bushmeat aus den Regenwäldern von Sierra Leone jeden Tag in die Hauptstadt Freetown. Aber Janet Sedwi will das gar nicht so genau wissen. Und ihr ist es auch egal, ob sie Schimpanse zubereitet oder andere Affenarten. Woher das Fleisch kommt, wisse sie nicht. Hauptsache sie könne mit den Gerichten ein bisschen geld verdienen. "Ich bestelle bei den Jägern, und die besorgen mir alles, was ich brauche."

Freetown (Foto: AP)
Irgendwo hier in Freetown kocht Janet ihren AffeneintopfBild: AP

So lange es Affen gibt, wird es auch Monkey Soup geben, Affensuppe, eine Delikatesse. Doch es gibt immer weniger Affen, deren Fleisch immer teurer wird; je nach Gewicht kostet ein ganzer Affe stolze 15 bis 20 Euro – für Sierra Leoner ein Vermögen. Eine Portion Monkey Soup verkauft Janet zu umgerechnet einem Euro. Bis zum Mittag ist alles weg, die Leute stehen Schlange vor Janet Sedwis Küche. Vielen ist das Affenfleisch lieber als das vom Metzger. "Good fo welbodi, sagt unser Doktor immer – gut für den Körper - fast so etwas wie Medizin", erzählt die Köchin. Lamin holt sich gerade einen großen Teller Suppe ab. Es schmeckt nicht nur lecker bei der Bushmeat-Köchin, sagt er, es ist auch noch sehr gesund. "Wenn man an Gelbfieber leidet, dann empfehlen die Ärzte, besonders die traditionellen Heiler, Affenfleisch zu essen", erzählt er. Er sei überzeugt, dass das Affenfleisch gut ist gegen das Gelbfieber und Fieber aller Art.

Damit widerspricht Lamin der Meinung vieler Wissenschaftler, dass sich gerade durch das Verspeisen von Primaten ansteckende Krankheiten übertragen, weil die Affen eben die nächsten Verwandten des Menschen sind. Aber Sedwi winkt ab: so viele zufriedene Gäste jeden Tag könnten gar nicht irren. "Schade, dass Du schon wieder gehen musst – das nächste Mal gebe ich Dir was von dem gepökelten Schimpansen mit, das kannst Du dann mit nach Hause nehmen," sagt sie. Ich blicke auf den Affenschädel, der noch im Topf schwimmt – und lehne dankend ab. Vielleicht schmeckt die Suppe ja auch ohne Affe.

Autor: Alexander Göbel

Redaktion: Sarah Mersch