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Vom Busfahrer zum Piloten

13. Mai 2009

Wer als Pendler in Nigerias Megastadt Lagos von A nach B will, begibt sich auf ein Himmelfahrtskommando: Öffentliche Verkehrsmittel sind bislang die schrottreifen gelben Kleinbusse und LKWs. Das soll sich nun ändern.

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Verkehrschaos in der nigerianischen Millionenmetropole LagosBild: picture alliance/dpa

Das typische Bild auf den Straßen von Lagos: Täglich steht die Megastadt kurz vor dem Verkehrsinfarkt. Ohrenbetäubendes Gehupe, Abgasnebel. Wie eine träge Masse bewegen sich die Autos durch das Chaos, das sie selbst verursacht haben, und noch sind die meisten von ihnen gelb. Es sind die rostigen, stinkenden Minibusse, auf die Millionen von Menschen angewiesen sind. Der Spitzname für die gelben Schrottkisten sagt alles: Danfo – das bedeutet soviel wie, "Komm raus und prügel dich!". Ruppig geht es hier zu. Rauchschwaden von Marihuana umgeben die Busparkplätze, die Stimmung ist aggressiv. Und wehe, ein Danfo baut einen Unfall – dann fliegen in der überfüllten Kabine alle aus ihren herausgerissenen Sitzen, die Verletzungsgefahr reist immer mit.

Mehr Sicherheit

Verkehrsstau in Lagos Nigieria
Die gelben Busse werden nun ersetztBild: AP

Das Pendeln in Lagos soll jetzt anders und vor allem sicherer werden: Die Rettung für die leidgeplagten Lagosianer hat drei Buchstaben: BRT. Bus Rapid Transit. Ein großer Wurf der Stadtverwaltung. In Brasilien wurden 200 geräumige Busse gekauft, die noch dazu blau oder rot sind und nicht mehr gelb – vor ziemlich genau einem Jahr wurde das neue Schnellbus-System geboren. "Vorher bin ich mit den Motorradtaxis gefahren und auch mit den Danfos, den gelben Bussen, aber jetzt ist alles anders", schwärmt ein zufriedener Kunde. "Die Danfos bleiben oft im Stau stecken. Aber die BRT-Busse haben ihre eigenen Fahrbahnstreifen. Das macht jetzt einen großen Unterschied!"

Vorfahrt für die neuen Schnellbusse

Auf mehr als 20 Kilometern Straßennetz rollen die Schnellbusse jetzt sogar auf abgetrennten Fahrspuren. Das lässt manche Autofahrer endgültig verzweifeln, denn ihre Fahrbahnen sind noch schmaler geworden. Aber der Erfolg gibt den mutigen Stadtplanern recht: Die Leute nehmen die neuen Busse an, sagt Kontrolleur Oresukunmi Adesanya. Er ist dafür verantwortlich, dass es an den neuen Haltestellen geordnet zugeht und keine gefälschten Tickets verkauft werden. "In ganz Afrika findet sich nur in Lagos dieses Bussystem mit der abgegrenzten Fahrbahn", erklärt er stolz. "Dafür müssen die Bus-Chauffeure besondere Fähigkeiten mitbringen. Deswegen heißen sie nicht mehr Busfahrer, sondern Piloten." Einer von ihnen ist Tunde Babalola, der als "Pilot" auf den Straßen von Lagos sein Studium finanziert. Er manövriert seinen blauen Bus ruhig durch die neue, weiß abgetrennte Fahrbahn und lässt sich nicht vom Lärm ablenken – er kennt die Ungeduld der Menschen von Lagos. Natürlich stelle das neue Bus-System nicht jeden Passagier zufrieden. "Aber ich würde schätzen, dass rund 80% der Pendler mit BRT zufrieden sind."

Zufriedene Passagiere

Lagos typische Kreuzung
Die Verkehrsteilnehmer hoffen auf mehr SicherheitBild: DW

Immerhin: Lagos bewegt sich wieder. Eine Erfolgsgeschichte, für die sich auch die Weltbank interessiert, und auch Ghanas Millionenmetropole Accra hat Beobachter geschickt: Die Busse lassen auf den reservierten Fahrbahnen den Stau hinter sich. Auch der Kampf um einen Sitzplatz hat ein Ende – wenn nicht gerade Rush Hour ist, betont Kayode Idowu. Schaffner will er nicht mehr genannt werden, sondern "Bus Officer": Wer mit Piloten zusammenarbeite, sei ja schließlich kein Schaffner, sondern Flugbegleiter. Sein neuer Beruf sei eine echte Dienstleistung am Kunden, sagt er nicht ohne Stolz: "Mir macht der Job sehr viel Spaß. Da wir mit Massentransport zu tun haben, ist es normal, dass es auch manchmal hoch her geht. Wir werden dann schon mal beschimpft. Aber wir bemühen uns immer, dass die Passagiere irgendwie zufrieden bleiben. Da muss man sehr diplomatisch sein."

Weniger Stress

Aber rein kommt noch lange nicht jeder: Fliegende Händler, Bettler und auch Prediger müssen draußen bleiben. Auch das etwas ganz Neues, denn die alten gelben Busse galten als DAS Missionsgebiet der Nachwuchsprediger. Weil es so zivilisiert zugeht, hätten auch Taschendiebe kaum noch eine Chance, erklärt eine erleichterte Pendlerin. "Die gelben Busse sind immer mit Stress verbunden. Und dann dieses Ein- und Aussteigen! Dagegen steht man bei den BRT-Bussen ordentlich in der Schlange an - und hat dann auch einen klar definierten Sitzplatz. Jeder kommt in den Bus oder wartet dann auf den nächsten." Bleibt nur noch ein Problem: Der oft rücksichtslose und halsbrecherische Fahrstil. An dem hat sich bislang nur wenig geändert – auch wenn die Busse in Lagos nicht mehr gelb sind und die Chauffeure jetzt "Piloten" heißen.

Autor: Alexander Göbel

Redaktion: Katrin Ogunsade