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Vom Saubermann zum Schurken

Denny Thomas/Steve Slater (Reuters)7. August 2012

Bislang galt Standard Chartered als Vorzeigebank: Skandale gab es nicht und selbst in der Schuldenkrise schrieb das Institut solide Gewinne. Die Nachricht von illegalen Deals mit dem Iran überraschte die Finanzwelt.

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Das Gebäude der britischen Bank Standard Chartered (Foto: AP)
Bild: Kin Cheung/AP/dapd

Die Anleger kennen bei Bank-Skandalen kein Pardon mehr: Die Aktien des britischen Geldhauses Standard Chartered brachen am Dienstag (07.08.2012) in London um bis zu 26 Prozent ein, nachdem illegale Geschäfte mit dem Iran bekanntgeworden waren. Das könnte dem Finanzinstitut die Banklizenz auf dem wichtigen US-Markt kosten.

Die Vorwürfe der New Yorker Finanzaufsicht haben es in sich: Standard Chartered soll fast zehn Jahre lang trotz bestehender Iran-Sanktionen Transaktionen mit dem Land abgewickelt haben. Die Rede ist von einem Gesamtvolumen von über 250 Milliarden Dollar. Das Institut habe wie eine "Schurken-Bank" agiert, millionenschwere Gebühren eingestrichen und den US-Finanzmarkt für Terroristen und Drogenhändler geöffnet. Das Institut sprach von überzogenen Vorwürfen, kündigte aber eine interne Untersuchung an.

StanChart nur eine von vielen

Standard Chartered (StanChart) ist bereits die dritte britische Großbank, die sich die US-Behörden vorknöpfen. Erst musste Barclays wegen der Verwicklung in Zins-Manipulationen eine Geldstrafe über eine halbe Milliarde Dollar abdrücken. Und dann bekam die Konkurrentin HSBC  wegen laxer Geldwäsche-Kontrollen eine schallende Ohrfeige vom US-Senat. Auch hier droht eine Milliardenstrafe. Weltweit ist das Vertrauen in die Bankenbranche an einem Tiefpunkt angekommen.

Dass es nun auch StanChart trifft, kommt überraschend. Jahrelang galt die Bank als Saubermann. Schlagzeilen um Handelsskandale gab es nicht und selbst in der Finanz- und Schuldenkrise schrieb das Haus anders als viele europäische Konkurrenten solide Gewinne. Dabei half der Bank ihr starkes Standbein im Wachstumsmarkt Asien - an den Finanzplätzen Singapur und Hongkong laufen die Geschäfte nach wie vor prächtig. Und auch in anderen Schwellenländern ist StanChart stark vertreten.

Der Verlust der US-Lizenz wäre für StanChart desaströs, denn dann gäbe es keinen direkten Zugang zur weltgrößten Volkswirtschaft mehr. Selbst bei einer gütlichen Einigung mit den Aufsehern könnten auf die Bank immense Kosten zukommen, wie andere Beispiele aus der Vergangenheit zeigen. Entsprechend panisch reagierten die Investoren: In London brachen die Aktien auf ein Drei-Jahres-Tief von 1092 Pence ein - das war der größte Kurssturz der Unternehmensgeschichte. Dabei wechselten bis zum Mittag etwa zehn Mal so viele StanChart-Titel den Besitzer wie sonst an einem gesamten Tag. Auch in Hongkong verloren die Aktien 15 Prozent an Wert.

Entlarvende Emails

Die Nachrichten aus den USA waren am Montagabend bekanntgeworden. Die New Yorker Finanzaufsicht DFS präsentierte Untersuchungsergebnisse, nach denen die Iran-Geschäfte auch innerhalb der Bank schon lange umstritten gewesen waren. So habe ein für das US-Geschäft zuständiger StanChart-Manager schon in einer E-Mail im Oktober 2006 vor einem erheblichen Reputationsschaden und rechtlichen Konsequenzen gewarnt. Ein Kollege in London habe ihn abgebügelt mit den Worten: "Was glaubt Ihr Amerikaner eigentlich, wer Ihr seid, dass Ihr uns, dem Rest der Welt, vorschreiben wollt, mit den Iranern keine Geschäfte zu machen?" Allein diese Antwort zeige eine absolute Missachtung der US-Regeln, zog DFS-Chef Benjamin Lawsky Bilanz. Es sei nun an StanChart, zu erklären, warum die Bank ihre US-Lizenz nicht verlieren sollte.

Die Bank gab sich schmallippig: Die Einschätzung der Aufseher stelle "kein umfassendes und akkurates Bild der Fakten dar". Die Regeln in den USA seien überwiegend befolgt worden. Das Volumen jener Iran-Transaktionen, die gegen geltendes Recht verstoßen hätten, belaufe sich auf weniger als 14 Millionen Dollar. "Wir werden das Thema mit der DFS weiter diskutieren und uns gegen deren Position zur Wehr setzen."