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Büro am Strand

Franziska Drewes

Lothar Knooke arbeitet da, wo andere Menschen Urlaub machen: am Strand von Rostock-Warnemünde.

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Bitte ein Korb für zweiBild: Franziska Drewes

Möwen kreisen über der Ostsee. In Rostock-Warnemünde, einem der zehn größten Ostseebäder in Deutschland. Wind weht durch die kilometerlangen Dünen. Am Strand bauen Kinder eine Sandburg. Wenige Meter vom Wasser entfernt steht Lothar Knooke vor einem weißen Holzhäuschen. Über ihm weht ein Fahne. Darauf ist ein blauer Strandkorb zu sehen mit dem Hinweis: Vermietung. Der 69-Jährige schaut in den wolkenverhangenen Himmel. "Das Wetter sagt gar nichts aus. Die Urlauber sitzen auch bei Regen und Wind im Strandkorb."

Vom Bootsbauer zum Strandkorbvermieter

Und schon kommen die ersten Touristen. Ein Ehepaar. Die beiden möchten einen Strandkorb mieten, gern direkt am Wasser. "Der Kunde ist König", sagt Vermieter Knooke und schon hebt er einen 80 Kilogramm schweren Zweisitzer an. Seine braungebrannten Beine versinken im Sand. Direkt am Wasser, mit Blick auf das Meer, setzt Lothar Knooke den Strandkorb wieder ab. Mit seiner Mütze fegt er den feinen Sand von der Sitzbank. Das Ehepaar schaut zufrieden und gibt ihm sieben Euro, die Tagesmiete.

Lothar Knooke ist in Rostock Warnemünde geboren. Er ist gelernter Bootsbauer. Als junger Mann ist er zur See gefahren. Und während dieser Zeit kam ihm die Idee, einmal Strandkörbe zu vermieten. Viele seiner Kollegen hatten im Garten damals einen Strandkorb stehen. Wenn dieser kaputt ging, fragten sie den Bootsbauer, ob er den Korb reparieren könne. Knooke sagte immer ja. Und konnte sich schon bald vor Aufträgen nicht mehr retten. Wenn er mal nicht auf den Weltmeeren unterwegs war, machte er aus alten Strandkörben wieder neue. Seine Frau nähte die Stoffe zusammen, half mit beim Flechten und Lackieren.

Arbeitsplatz: Direkt am Strand

Ostseestrand, Rostock WarnemündeDrewes, Strandkorb
Vermietet wird von Mai bis SeptemberBild: Franziska Drewes

1994 wurde Lothar Knooke plötzlich arbeitslos. Noch im selben Jahr kauften er und seine Frau 350 eigene Strandkörbe und eröffneten ihre Vermietung. Einen besseren Arbeitsplatz als seinen kann sich Lothar Knooke nicht vorstellen: ein Büro direkt am Ostsseestrand. Sieben Tage die Woche, von Mai bis September, sitzt Lothar Knooke am Meer und wartet auf Touristen.

Seine Kunden kommen aus der ganzen Welt. "Vor ein paar Tagen spazierten Chinesen am Strand entlang", erzählt er. Als die seine Strandkörbe sahen, waren die ziemlich verdutzt. "So etwas hatten sie in ihrem Leben noch nicht gesehen. Sie saßen Probe und waren sofort begeistert." Knooke freut sich, wenn sich die Urlauber in den Strandkörben wohlfühlen.

Kaffee und Kuchen - Fast wie eine Familie

Viele Kunden kommen über mehrere Jahre immer wieder zu ihm. Eine Rollstuhl-Fahrerin ist seine treueste Kundin. Seit 14 Jahren mietet sie Strandkorb Nummer eins. "Sie bringt dann auch immer Kaffee und Kuchen mit. Wir sind wie eine Familie". Seinen Stammgästen verrät er auch, dass der Strandkorb eine deutsche Erfindung ist und dass er sogar aus seiner Heimat - dem Ostsseebad Warnemünde - kommt. Im Sommer 1882 präsentierte der Korbmacher Wilhelm Bartelmann seine erste Kreation. Es war ein Einsitzer für eine Frau, die sich vor Wind und zuviel Sonne schützten wollte. Eine geniale Erfindung, findet auch Lothar Knooke. "Nichts drückt am Rücken, kein Stein, kein Sand knirscht im Badeanzug."

Er selbst hat kaum Zeit, sich in seine Strandkörbe zu legen. Wenn er mal nicht am Strand ist, repariert er noch immer in seiner kleinen Werkstatt die defekten Körbe. Das macht er auch im Winter. Denn dann ist es an der Ostsee zu kalt, um Strandkörbe zu vermieten.

Brandstiftung: 350 Körbe gingen in Flammen auf

Ans Aufhören denkt der 69-Jährige noch lange nicht. Kann er auch nicht. Denn im vergangenen Winter zündeten Brandstifter sein Winterquartier an: 350 Strandkörbe gingen in Flammen auf. Nichts konnte er retten, kein Handtuch, keine Ersatzteile. "Ich stand vor einem Haufen Schutt und Asche", sagt Lothar Knooke. Eigentlich wollte er mit 69 nicht noch einmal von vorn anfangen. Nun muss er es, mit 150 neuen Strandkörben.