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Vom Ziel weit entfernt

Monika Lohmüller, Berlin22. November 2001

Die Entwicklungspolitik der Bundesregierung sei von einer tiefen Diskrepanz zwischen Rhetorik und Realität geprägt, sagen die Hilfsorganisationen terre des hommes und die Deutsche Welthungerhilfe.

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800 Millionen Menschen sind vom Hunger bedrohtBild: AP

Beide Organisationen haben am Donnerstag ihren Bericht zur "Wirklichkeit der Entwicklungshilfe" in Berlin vorgelegt. Über Entwicklungshilfe werde viel diskutiert in Deutschland. Doch zu viele Ministerien - wie das für Wirtschaft oder Finanzen - verträten in Sachen Entwicklungshilfe ihre eigenen "harten Interessen". Und von dem Ziel, für die Entwicklungshilfe 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts bereitzustellen, das auf dem Erdgipfel 1992 in Rio de Janeiro vereinbart wurde, sei Deutschland noch weit entfernt. Im vergangenen Jahr seien es 0,27 Prozent gewesen.

Häufig genug kollidierten die Interessen zwischen den Ministerien, sagte Peter Mucke von terre des hommes. Nicht selten müßten entwicklungspolitische Notwendigkeiten zugunsten beispielsweise der Haushaltskonsolidierung zurücktreten. Mittelfristig, so befürchtet Mucke, sei sogar wieder ein Abwärtstrend angesichts der angespannten Finanzlage zu befürchten. Er verwies darauf, daß Deutschland mit seinen 0,27 Prozent zwar noch deutlich vor den USA mit 0,1 Prozent stehe, aber am unteren Ende der Länder der Europäischen Union, die durchschnittlich 0,33 Prozent ihres Bruttosozialprodukts aufbrächten.

Allerdings: dass der Entwicklungsetat seit der rot-grünen Regierungsübernahme überhaupt eine Aufwertung erfahren habe, betonte Mucke, sei auf die Bemühungen von Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul zurückzuführen: "Wir müssen wirklich ganz klar sagen, dass die Entwicklungsministerin an verschiedenen Stellen sehr positive Initiativen entfaltet hat. Was schon etwas länger zurückliegt: Die Seite des Schuldenerlasses. Die Ministerin hat sich auch sehr eindeutig auf der internationalen Ebene dafür eingesetzt, dass die Entwicklungshilfe etwas steigt, dass es hier zu einer EU-weiten Regelung kommt und wir da auch schon sehen müssen, dass innerhalb der Bundesregierung die Probleme liegen."

Volker Hausmann von der Deutschen Welthungerhilfe forderte ein Umdenken: die überwiegende Zahl der weltweit 800 Millionen Hungernden und etwa 1,2 Milliarden Menschen, die unterhalb der absoluten Armutsgrenze von einem Dollar pro Tag lägen - lebe nicht in Hauptstädten, sondern auf dem Land. Dort müsse die Hilfe ankommen, beim Bauer ebenso wie bei den kleinen Handwerksbetrieben, dort müsse in Bildung, Gesundheitswesen und Infrastruktur investiert werden.

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen habe dies bereits erkannt, die Bundesregierung offensichtlich noch nicht, sagte Hausmann: "Die Aufwendungen für den Bereich ländliche Entwicklung sinken von 35,5 Prozent auf 31,2 Prozent. D.h. das Geld, das hoffentlich mehr wird und mehr werden soll für die Armutsbekämpfung, fließt nicht in die Region, wo diese Armut sitzt. Da muss es aber hinfliessen, wenn man Armut bekämpfen will und deswegen fordern wir ganz eindeutdig vom Bundeshaushalt und auch von den übrigen supranationalen und internationalen Finanzquellen, die Entwicklungszusammenarbeit finanzieren, eine deutliche Orientierung auf die Förderung des ländlichen Raumes. Nur so werden wir die Armut in den Griff kriegen und nennenswert beseitigen können."