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Von der Heiligkeit des Alltäglichen

13. Juni 2015

Im biblischen Bild des Sämanns entdeckt Pater Hans Peters SVD ein Plädoyer für ein entschleunigtes Leben. Im Beitrag der katholischen Kirche nimmt er die Heiligkeit des Alltäglichen in den Blick.

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Frankreich Malerei Kunst Vincent van Gogh Sämann bei untergehender Sonne
Sämann von Vinzenz van Gogh bei untergehender SonneBild: picture-alliance/akg
Pater Hans Peters SVD, Steyler Missionar, Goch
Pater Hans Peters SVDBild: DBK

„Dann schläft er und steht wieder auf, es wird Tag und es wird Nacht, der Samen keimt und wächst, und der Mann weiß nicht wie. Die Erde bringt von selbst ihre Frucht“ (Mk 4,27). Die Rede ist von einem Sämann, der seinen Samen auf den Acker sät, genauer gesagt jedoch: die Rede ist vom Reich Gottes, denn dieser Sämann wird für Jesus zum Symbol des Reiches Gottes, so das heutige Sonntagsevangelium im vierten Kapitel nach Markus. Und sofort stellt sich die Frage: so alltäglich, so banal soll das Reich Gottes kommen? Und eine weitere Frage stellt sich: lohnt es sich überhaupt über so banale Vorgänge, wie aufstehen und schlafen gehen, zu reden, zumal in so einem bedeutsamen Vorgang wie dem Reich Gottes.

Aber diese Rede scheint nicht nur für das Reich Gottes unpassend, sie scheint auch nicht in das zu passen, was Soziologen heute als „Erlebnisgesellschaft“ beschreiben, wenn sie Typisches für unsere Gesellschaft heute herausstellen wollen: wo jeder Einkauf zum „Erlebnis“ werden muss, anstatt das man nüchtern sachlich drauf achtet, wie viel Geld im Portemonnaie ist und was man wirklich braucht. Oder: Anstatt dass der Urlaub ganz einfach eine Zeit ist zum Auspannen, ganz einfach Frei-Zeit, muss unbedingt ein Programm in den Urlaub, Erlebnisurlaub, und nachher muss man sich vom Urlaub erholen.

Der Lebensrhythmus vieler Menschen ist genau davon geprägt: es ist immer etwas los, und immer etwas anderes. Dass das so ist, kann man manchmal einfach nicht ändern. Es ist einfach so. Aber dass man das dann zum Kriterium eines lebenswerten Lebens erhebt, da sind wir dann im kritischen Bereich.

Im Rhythmus des Sämanns

In meinem Büro habe ich über dem Computer, an dem ich jetzt schreibe ein Bild vom Sämann von Vinzenz van Gogh hängen. Immer wieder hat er dieses Motiv gemalt, abgeschaut von den Bauern seiner Umgebung in den Niederlanden. Und im Hintergrund eine große Sonne, im strahlenden Gelb, für das van Gogh ja berühmt ist.

Wie oft hat van Gogh diesen Sämann auf dem Feld gesehen? Wie oft hat der Sämann es getan? Säen, über das Feld schreiten, immer die gleichen Wege? Und wie oft hat van Gogh dieses Motiv gemalt, bisweilen zum Verwechseln ähnlich? Und was ist passiert? Nichts. Keiner hat zeit seines Lebens auch nur eines von diesen Bildern gekauft. Heute können wir uns an diesen Bildern nicht genug satt sehen. Und wenn ich Jesus vom Sämann sprechen höre, dann kommt mir immer wieder dieses Bild in den Sinn.

Nein, „Erlebnis“ mit viel Drum und Dran ist hier nicht zu holen. Aber genau da geschieht es: „die Saat keimt und wächst, und der Mann weiß nicht wie“. Man könnte das Evangelium auch ein Plädoyer für Alltäglichkeit nennen. Plädoyer für die immer gleichen Abläufe und Handgriffe, von den Broten, die jeden Morgen für die Kinder geschmiert werden, von der Spülmaschine, die jeden Abend wieder gelehrt werden will, vom Weg zur Arbeit, der jeden Morgen derselbe ist. Wie oft muss im Erlernen eines Handwerks der gleiche Handgriff immer wieder geübt werden, bis er sitzt. Ganz normale unauffällige Vorgänge, aber ohne sie geht Leben nicht.

Plädoyer für die Alltäglichkeit

In einem seiner Briefe sagt van Gogh vom Sämann: „Dessen Arbeit wird durch die wie ein Heiligenschein hinter ihm strahlende Sonne geweiht“1). Dieses alltägliche Geschehen, es ist mehr als nur Alltag, hier geschieht das Leben, und alles, was Leben ist, ist heilig, und mag es noch so alltäglich aussehen.

Erlebnisse dürfen sein, und wer freut sich nicht, wenn es spannend und auch aufregend ist. Aber das Leben, zumal das Leben mit Gott, hat auch diese Seiten: säen, schlafen und aufstehen, und nicht wissen wie. Leben ist manchmal ganz unauffällig, normal, alltäglich, ja bisweilen langweilig, aber wie heißt es doch im Evangelium: und die Saat keimt und wächst, und der Mann und die Frau wissen nicht wie. Dem Leben zu vertrauen und darin Gott zu trauen, darum geht es.

1) Ann Dumas (Hrsg.), Van Gogh: Der Künstler und seine Briefe, Köln 2010, S. 216.


Zum Autor: Pater Hans Peters SVD gehört seit 1967 dem Orden der Steyler Missionare an, in dem er in vielen verschiedenen Funktionen gewirkt hat und bis heute wirkt, unter anderem in der Jugendarbeit, als Novizenmeister und im Rektorat des Missionshauses St. Michael in Steyl (Niederlande). Seit 2008 arbeitet der gefragte Seelsorger und Lebensberater als Wallfahrtsseelsorger in Goch am Niederrhein. Seit 1994 schreibt er regelmäßig für die christliche Familienzeitschrift „Stadt Gottes“.

Redaktionelle Verantwortung: Dr. Silvia Becker, Katholische Hörfunkbeauftragte, und Alfred Herrmann