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Von der Verantwortung

Nina Werkhäuser19. Mai 2003

Bundespräsident Johannes Rau hat in seiner „Berliner Rede“ vor der Gewöhnung an den Krieg als Mittel der Politik gewarnt. "Wir brauchen Mut zur Zivilität", sagte Rau am Montag (19.5.).

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Bundespräsident Johannes Rau bei seiner Rede im Berliner Maxim-Gorki-TheaterBild: AP

1997 begründete der damalige Bundespräsident Roman Herzog die Tradition der "Berliner Rede". Politische Grundsatzreden standen seitdem alljährlich auf dem Programm der Redner, zu denen auch UNO-Generalsekretär Kofi Annan gehörte. Seit seinem Amtsantritt nimmt Bundespräsident Johannes Rau alljährlich die Gelegenheit der "Berliner Rede" wahr. So auch an diesem Montag (19.5.), an dem sich Rau unter der Überschrift "Gemeinsam handeln - Deutschlands Verantwortung in der Welt" an die Öffentlichkeit wandte.

In seiner Berliner Rede griff Bundespräsident Johannes Rau vor allem jene Fragen auf, die seit dem Irak-Krieg neue Brisanz gewonnen haben - die Rolle der UNO, die Positionierung der Europäer und das gestörte transatlantische Verhältnis. Deutsche und Amerikaner forderte er auf, offen miteinander über ihre Meinungsverschiedenheiten zu sprechen und die Haltung des anderen zu respektieren. Rau hätten an vielen Stellungnahmen und an vielen öffentlichen Äußerungen die Wortwahl, die Tonlage und eine falsche, überzogene Personalisierung gestört. „Das scheint mir ein Zeichen mangelnder Ernsthaftigkeit, die der Bedeutung nicht gerecht wird, die das Verhältnis zwischen Amerika und Europa auch in Zukunft haben wird und haben muss", sagte der Bundespräsident.

Ultima ratio nur als ultima ratio

Mit Blick auf den Irak-Krieg sagte Rau, die Debatte über internationale Politik habe sich in den vergangenen Monaten viel zu sehr um militärische Optionen gedreht. Militärische Gewalt könne in bestimmten Situationen das letzte Mittel, die "ultima ratio" sein, sagte Rau, warnte aber gleichzeitig: „Ich sehe allerdings die Gefahr, dass wir von einer 'ultima ratio' reden, dass in Wirklichkeit aber ein Gewöhnungsprozess einsetzt, an dessen Ende militärische Intervention und Krieg ein Instrument unter vielen ist.“ Darum müsse viel früher mehr Energie und auch mehr finanzielle Mittel darauf verwendet werden, um Konflikte mit zivilen Mitteln zu lösen oder wenigstens einzudämmen. „Wir brauchen Mut zur Zivilität", sagte Rau.

Dabei komme den Vereinten Nationen eine entscheidende Rolle zu. "Die Vereinten Nationen und ihre Organisationen müssen künftig das wichtigste globale Instrument multilateraler Politik sein - trotz aller Fehlschläge in der Vergangenheit." Reformen seien nötig, dennoch seien die Vereinten Nationen das beste Instrument, um Lösungsansätze für globale Probleme zu entwickeln. In diesem Zusammenhang sprach Johannes Rau auch das Völkerrecht an. "Das Völkerrecht muss da weiterentwickelt werden, wo es wie ein Recht gegen die Völker wirkt, weil es diktatorische Regierungen schützt, die ihre Völker misshandeln, und dort, wo es bislang keine hinreichenden Antworten auf neue Herausforderungen der internationalen Politik gibt, wie bei der denkbaren Verbindung zwischen internationalem Terrorismus und Massenvernichtungswaffen." Europa komme beim Kampf gegen Bedrohungen wie Armut, Krankheiten und Terrorismus eine besondere Rolle zu, sagte Rau. Der Europäischen Union fehle bisher in der internationalen Politik die Geschlossenheit und Stärke, die notwendig sei, damit sie ein starker Partner im System der Vereinten Nationen werde Auch dies gehöre zu den Erfahrungen der vergangenen Monate.

„Ich vermisse eine Debatte“

Während des Irak-Kriegs habe es an gemeinsamen Positionen gemangelt. Zwar seien die Menschen in Europa mehrheitlich gegen den Krieg gewesen, nicht aber etliche Regierungen. Gerade in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik müsse die Europäische Union handlungsfähig werden. "Daher müssen wir bereit sein, Gewalt auch mit militärischen Mitteln zu begegnen - und diese Bereitschaft muss glaubwürdig sein. Eine handlungsfähige europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik muss daher auch eine militärische Komponente haben - wie schwer der Weg dorthin auch sein mag." Welche Rolle die Bundeswehr in einer gemeinsamen europäischen Sicherheitspolitik spielt, darüber werde in Deutschland nicht genügend diskutiert, kritisierte Rau. "Ich vermisse eine breit geführte gesellschaftliche Debatte über die Frage, wie die Bundeswehr der Zukunft aussehen soll“, so Rau. „Nirgendwo ist eine Regierung so sehr auf Unterstützung und Einverständnis der Menschen angewiesen wie dann, wenn die Bundeswehr als Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik eingesetzt wird. Wie immer die Antwort lauten mag, zu der wir kommen werden, sie muss am Ende einer breiten gesellschaftlichen Debatte stehen. Wir brauchen einen Konsens."

"Weiten Weg gegangen"

Bis deutsche Soldaten zum ersten Mal wieder in Auslandseinsätze geschickt wurden, sei Deutschland "einen weiten Weg gegangen", sagte Rau mit Blick auf die deutsche Geschichte. Diese Erfahrungen verpflichteten Deutschland dazu, sich in der Welt für Menschenrechte, Demokratie und Freiheit einzusetzen. Das sei die Verantwortung deutscher Außenpolitik.