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Das Gesicht des Protestes

8. Juli 2009

Vom uigurischen Volk wird sie zutiefst verehrt, die chinesische Führung dagegen hält sie für die Anstifterin der jüngsten Unruhen in Xinjiang: Rebiya Kadeer, die Vorsitzende des Uigurischen Weltkongresses.

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Rebiya Kadeer (Foto: AP)
Rebiya Kadeer, Vorsitzende des Uigurischen WeltkongressesBild: AP

Vor nicht allzu langer Zeit noch war Rebiya Kadeer für China eine Art "Vorzeige-Uigurin": Sie hatte es als Muslima geschafft, sich im modernen China zu einer millionenschweren Unternehmerin hochzuarbeiten und sogar einen hohen Beraterposten bei der chinesischen Regierung bekleidet. In den 1980er Jahren war die Mutter von elf Kindern zu so etwas wie einer Symbolfigur des chinesischen Wohlstands geworden. Sie war damals eine der reichsten Menschen der Volksrepublik. Han-chinesische Regierungsvertreter verwiesen mit Stolz auf ihre Handelsfirma. Damit wollten sie Kritikern demonstrieren, dass auch die Uiguren am wirtschaftlichen Aufschwung Chinas teilhaben.

Fall in Ungnade

Uigure mit Eselkarren (Foto: AP)
An den Uiguren ging der wirtschaftliche Aufschwung Chinas meist vorbeiBild: AP

Doch in Wirklichkeit haben die Muslime in Chinas nordwestlichster Provinz nicht vom gehobenen Lebensstandard im Land profitiert – im Gegenteil: die Zentralregierung in Peking siedelte massenhaft Han-Chinesen an, begegnete uigurischen Protesten mit Härte, verschärfte die Sicherheitsmaßnahmen und erlegte dem Islam Beschränkungen auf. Viele Uiguren wurden verhaftet, und nachdem ihr Mann Sidik Rouzi, ein uigurischer Menschenrechtsaktivist und ehemaliger politischer Häftling, in die USA fliehen musste, stand auch Rebiya Kadeer unter verschärfter Beobachtung. Sie aber blieb im Land. Chinas Führung drängte sie, sich scheiden zu lassen. Stattdessen verstärkte sich ihre kritische Haltung. Im August 1999 wurde sie verhaftet und ein Jahr später zu acht Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie Staatsgeheimnisse ans Ausland preisgegeben haben soll. 2005 wurde Kadeer aus gesundheitlichen Gründen entlassen, musste aber ins Exil.

Stimme des Protestes

Protestierende Uigurin in Urumqi (Foto: AP)
Protestierende Uigurin in UrumqiBild: AP

Heute lebt die Uigurin in den USA. Die chinesische Führung sieht in ihr die Anstifterin der Unruhen in Xinjiang. Kadeer bestreitet dies: Sie und ihre Organisation, der Uigurische Weltkongress, verurteilten das "gewalttätige Vorgehen einiger uigurischer Demonstranten" und unterstützten nur den gewaltlosen Protest. Das wahre Problem sei die Unterdrückung ihrer Landsleute durch Peking. Jeder Uigure, der auch nur wagt zu protestieren, bekomme brutale Gewalt zu spüren, sagt die heute 62-Jährige: "Die Uiguren leben in China wie in einem großen Gefängnis." Angehörige der muslimischen Minderheit in China würden zu Abtreibungen und zur Sterilisation gezwungen, rund 100.000 von ihnen seien aus politischen Gründen in Haft.

Symbolfigur des Widerstands

"Ich hoffe, dass mein Volk eines Tages frei sein wird", sagt Rebiya Kadeer, die auch im Exil meist in traditioneller Kleidung und mit lang geflochtenen Zöpfen auftritt. Die Uiguren verehren sie für ihren Einsatz, die chinesische Führung verdammt sie. Kadeer habe "kein Mandat", die Minderheit in der abgelegenen Region Xinjiang zu vertreten. Doch mittlerweile ist die Menschenrechtsaktivistin zu dem geworden, was den Uiguren jahrelang gefehlt hat: Denn sie gibt dem Kampf ihrer Heimat für Selbstbestimmung in der Weltöffentlichkeit ein Gesicht - ähnlich wie der Dalai Lama für die Tibeter. Bereits mehrfach war die zierliche Frau mit der energischen Stimme sogar für den Friedensnobelpreis im Gespräch.

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Chinesische Spezialkräfte zeigen Präsenz in Urumqi, der Hauptstadt der Uiguren-Provinz XinjiangBild: ap

Familie in Gefahr

So viel Engagement bringt jedoch auch Gefahren mit sich: Denn einige Familienmitglieder leben noch heute in Chinas Unruheprovinz Xinjiang. Ihr Sohn Ablikim Abdiriyim wurde im Jahr 2007 wegen "sezessionistischer" Aktivitäten zu neun Jahren Gefängnis verurteilt, zwei weitere Söhne sind wegen angeblicher Steuerhinterziehung in Haft, eine Tochter befindet sich unter Hausarrest. Bereits 2007 forderte das US-Repräsentantenhaus Peking auf, Kadeers Kinder frei zu lassen und die "kulturelle, sprachliche und religiöse Unterdrückung des uigurischen Volkes" zu beenden. Ex-US-Präsident George W. Bush zeigte sich von einem Treffen mit der Uigurin tief beeindruckt. "Das Talent von Männern und Frauen wie Rebiya ist der größte Schatz ihrer Nationen - weit wertvoller als die Waffen ihrer Armeen oder das Öl in ihrem Boden"; so schwärmte Bush damals. Aus Peking erntete er jedoch umgehend scharfe Kritik - für seine "unverhohlene Einmischung in die internen Angelegenheiten Chinas." (tl/mk/afp/ap)