1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Von einem Extrem ins andere

Ben Knight
1. März 2017

Ein mutmaßlicher deutscher Islamist soll früher im Netz gegen Muslime gehetzt haben. Extremismusforscher sagen, der Wechsel von einem Lager ins andere sei nicht ungewöhnlich.

https://p.dw.com/p/2YSnS
Deutschland Symbolbild Razzia Polizei
Bild: picture alliance/dpa/P. Zinken

Die Polizei hatte Sascha L. vergangene Woche im niedersächsischen Northeim festgenommen. Bei ihm wurden Teile zum Bau eines ferngezündeten Sprengsatzes gefunden. Nach Polizeiangaben gab der 26-Jährige bei seiner Vernehmung zu, er habe Polizisten und Soldaten in einen Hinterhalt locken und töten wollen. Wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet, hatte er in der Vergangenheit neonazistische Ansichten geäußert. Die Ermittler seien auf einen Youtube-Kanal und ein Facebook-Profil von Sascha L. gestoßen, auf denen er gegen Muslime und Antifaschisten hetzte.

2013, so "Der Spiegel", sprach Sascha L. in einem Video von einem "schleichenden Volkstod", der den Deutschen drohe, die Muslime wollten in Deutschland "die Scharia durchziehen". "Selbst ein Hund weiß, wo er hingehört, und wohin gehörst du?", zitiert ihn das Magazin in dem Video. "Sei nicht dümmer als ein Hund und rette die deutsche Bevölkerung vor dem geplanten Aussterben."

Die "Volkstod"-Rhetorik und die weiße Maske, die Sascha L. in einigen der Videos trägt, deuten darauf hin, dass er sich damals mit einer rechtsextremen Gruppe identifizierte, die sich "Die Unsterblichen" nennt und die um 2012 eine Reihe von Aufmärschen organisierte. In einem weiteren Video von 2013 gibt er "Tipps für die Kakerlaken Bekämpfung", ein Aufruf zum Angriff auf Migranten.

Es scheint aber, als sei Sascha L. irgendwann im Laufe des Jahres 2014 zum Islam konvertiert. Er selbst hat das in einem Gerichtsverfahren gesagt, in dem es um den Vorwurf ging, er habe das verbotene Symbol des "Islamischen Staates" im Netz verbreitet. Die Staatsanwaltschaft Celle wollte sich zu dem "Spiegel"-Bericht nicht äußern - mit dem Hinweis darauf, die Ermittlungen dauerten noch an.

Salafist und ehemaliger linksextremistischer Terrorist Bernhard Falk
Bernhard Falk wurde vom Linksextremisten zum IslamistenBild: picture-alliance/dpa/F. Gambarini

Seitenwechsel

Es ist nicht der erste Fall, bei dem jemand von einer extremen Gruppe zu einer anderen wechselt - und sicher auch nicht der letzte. 2012 hatte Bernhard Falk, ein früheres Mitglied der "Antiimperialistischen Zellen", der im Gefängnis zum Islam konvertierte, ein Dokument veröffentlicht, in dem er zur Gewalt gegen den US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein aufruft. Zuvor hatte er offenbar dem Terrornetzwerk al-Kaida Treue geschworen. Am bekanntesten ist wohl der Fall Horst Mahler, der sich vom Gründungsmitglied der linksextremen Terrorvereinigung "Rote-Armee-Fraktion" zum Rechtsextremen wandelte.

Thomas Mücke ist nicht überrascht über diese Beispiele. Der Leiter des Violence Prevention Network, das sich für Extremismusprävention und Deradikalisierung einsetzt, sagt dazu im Interview mit der Deutschen Welle: "Egal, um welchen Extremismus es geht, die Grundlagen sind immer so, dass man andere ausgrenzen will, dass man die homogene Gemeinschaft sucht, dass man sich gegen die Demokratie richtet. Die Ideologien des Rechtsextremismus und des religiös begründeten Extremismus sind sich sehr ähnlich."

Politologe und Pädagoge Thomas Mücke
Thomas Mücke: die Grundlagen bei jedem Extremismus sind ähnlichBild: VPN/Klages

Psychologie oder gesellschaftliche Ursachen?

Michaela Glaser, die beim Deutschen Jugendinstitut in Halle über gewaltbereiten Extremismus forscht, glaubt, dass die Extremismusneigung sowohl mit psychologischen Mustern als auch mit sozialen Bedingungen zu tun hat: "Es ist ein Zusammenspiel von biographischen Erfahrungen, aus dem heraus bestimmte Sachen plausibel werden", sagt sie gegenüber der Deutschen Welle. "Es gibt bestimmte Sozialisationserfahrungen, die Menschen machen, die dazu führen, dass solche extremistischen, ideologisierten Angebote generell für sie attraktiv sein können."

Es gebe sehr unterschiedliche Motive, warum sich Menschen solchen Gruppen zuwendeten, erklärt sie, aber manche seien immer dabei: "Kompensation fehlender Anerkennungserfahrungen, fehlender Zugehörigkeitserfahrungen, Suche nach Eindeutigkeit, Vergewisserung, wo man steht. Und das sind Sachen, die solche Ideologien bedienen."

Glaser ist der Meinung, alle extremistischen Gruppen böten Menschen eine klare Unterscheidung zwischen Gut und Böse und das Gefühl, zu einer Gruppe Ausgewählter zu gehören; das Selbstwertgefühl speise sich aus diesem Zugehörigkeitsgefühl. Mit anderen Worten: während rechtsextreme Gruppen nach Rasse unterscheiden, teilen islamistische Gruppen Menschen in Gläubige und Ungläubige ein. Die Struktur ist ähnlich.