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Von Gänseklein und großen Köchen

Eckhard Tollkühn13. Oktober 2003

Gerade erst haben amerikanische Köche und Geflügelfarmer den kulinarischen und finanziellen Wert der Gänsestopfleber entdeckt, da gehen Tierschützer und Vegetarier auf die Barrikaden.

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Fois Gras ist für viele Feinschmecker der höchste Zungenspaß. Die Fettleber von Gans und Ente wird durch erzwungene Überernährung hochgemästet auf das Fünffache des Normalgewichts. Eine qualvolle Prozedur, so sagen die Tierschützer, die verboten werden müsse. In vielen Ländern, darunter Deutschland, Österreich, Dänemark, Norwegen und Polen ist die Zwangsernährung von Tieren schon unter Strafe gestellt. In anderen, wie den Vereinigten Staaten, wird der Gänserachen dagegen noch fleißig gestopft.

Die Produktion in den USA ist in den letzten Jahren gestiegen, weil die US-Regierung infolge eines Handelskriegs Luxusgüter aus Europa mit einhundertprozentigen Strafzöllen belegte, darunter auch Fois Gras. Die importierte Leberdelikatesse wurde vielen zu teuer und amerikanische Geflügelfarmer sahen ihre Chance. Fois Gras aus dem Hudson Valley war bald ein Qualitätsprodukt, das es mit dem Gänseorgan aus der französischen Gascogne durchaus aufnehmen konnte. Es folgten Fois Gras-Fabriken im kalifornischen Weinland um Napa und Sonoma Valley. Restaurants dort verfeinern ihre Gerichte mehr und mehr mit der Gänsefettleber oder servieren sie en bloc mit einem Sauterne.

Angst um Leib und Leben

Lange hielt der Gaumenspaß jedoch nicht an. Jetzt müssen in Kalifornien nicht nur Gänse, sondern auch Spitzenköche um Leib und Leben fürchten. Nobelrestaurants mit Fois Gras auf der Speisekarte wurden mit Sprayfarbdosen beschmiert und der Keller mit Wasser überschwemmt. Ein Akt des "heimischen Terrorismus", befand das FBI.

Doch es kam schlimmer. Chefkoch Laurent Manrique, dessen "Fois Gras Nougatine" mit Haselnüssen und Pistachios in einer Schirazreduktion für viele die höchsten Weihen der Leberzubereitung darstellt, bekommt statt Komplimenten auf einmal Morddrohungen. Gänserechtler verunstalteten sein Auto mit Salzsäure, verklebten das Türschloss und sprühten den Slogan: "Stopp, oder wir stoppen Dich" auf den Lack. Doch den größten Schreck erfuhr Monsieur Manrique als er ein Video ansah, das die Vandalen durch das Fenster geworfen hatten. Es zeigte Bilder von seiner Frau und seinen Kindern. Eine unmissverständliche Warnung. Ähnliche Drohungen erhielten andere Spitzenköche und Gänsefarmer in Kalifornien.

Versklavte Gänse

Organisierte Gänse-Freiheitskämpfer drangen in eine Geflügelfarm ein und "befreiten" eine Anzahl von Langhälsen. "Diese Vögel seien Sklaven unseres Appetits", meinte ihr Anführer vor der Presse.

Einige Restaurants haben inzwischen Fois Gras von ihren Speisekarten gestrichen. Ein Senator im Bundesstaat New York arbeitet an einem Gesetz, das die Zwangsernährung für die Fois-Gras-Produktion verbieten würde. Aber bislang gilt in den USA: Tiere in der landwirtschaftlichen Produktion sind von Tierschutzgesetzen ausgenommen. Die Gänserechtler sind also im Unrecht, die Fois-Gras-Köche im Recht. Doch angesichts des immer militanter werdenden Leberkrieges dürfte so manchem Gourmet der Appetit auf die umstrittene Köstlichkeit vergehen.