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Von heiligen und anderen Familien

29. Dezember 2012

Der Tag der heiligen Familie erinnert daran, dass auch Jesus seine fundamental menschliche Prägung in einer familiären Gemeinschaft erfahren hat, so Hans-Peter Hecking im Wort zum Sonntag der katholischen Kirche.

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Familie
FamilieBild: Fotolia/Tatyana Gladskih

Bei meinen Großeltern hing so ein Bildnoch über dem Bett und ich habe es nie vergessen. Es zeigte die heilige Familie von Nazareth. Maria im roten Gewand, das Haar mit einem weißen Schleier bedeckt. Gekonnt lässt sie die Spindel tanzen. Josef vorn übergebeugt an der Spannsäge. Er zerteilt einen aufgebockten Balken. Und Jesus, vielleicht dreizehn, vierzehn; sein langes Haar ist sorgfältig gescheitelt, er bearbeitet ein Kantholz mit Hammer und Stechbeitel.

Wirklichkeitsfernes Vorbild in Zeiten der Industrialisierung

Die „Heilige Familie“ im „Haus Nazareth“ hat sich als Idealbild von Familie in vielen Köpfen verankert. Das kommt nicht von ungefähr. Die katholische Kirche förderte die Verehrung der „Heiligen Familie“ seit dem 19. Jahrhundert. Sie reagierte damit auf die sozialen Folgen der Industrialisierung und der damit einhergehenden Zerrüttung traditioneller Familienstrukturen. Die verklärten Darstellungen der „Heiligen Familie“ sollten Familien zu einem christlichen Lebenswandel anregen. Eine gemalte Idylle, fromm-kitschig, die bis heute fortwirkt und die Familie so heilig machte, dass sie in der Wirklichkeit kaum bestehen kann.

Denn als menschliche Einrichtung ist auch die beste familiäre Gemeinschaft nicht perfekt. Auch die Familie von Maria, Josef und Jesus war harten inneren und äußeren Zerreißproben und Gefährdungen ausgesetzt. Außerdem: Die Soziologie lehrt uns, dass Strukturen familiären Zusammenlebens nicht nur kulturell unterschiedlich sind. Sie wandeln sich auch. Hierzulande ist die Familie schon lange vieles andere mehr als Vater, Mutter und zwei Kinder. Alle möglichen Familienformen sind längst selbstverständlich geworden. Jeder Mensch braucht familiäre Solidarität und das verlässliche Dasein füreinander. Wie sehr Menschen leiden, wenn sie etwa durch Krieg, Flucht und Vertreibung diese Beheimatung in gefestigten Familienstrukturen verlieren, habe ich erst vor kurzem durch meine Arbeit für Missio im Südsudan und an der somalischen Grenze erlebt. Gut, dass Menschen gerade in solchen Situationen durch die vertraute Begleitung von Schwestern, Priestern und Katechisten Gemeinschaft in kirchlicher Familie erfahren können.

Als Fest der Weihnachtszeit erinnert uns der Tag der Heiligen Familie an diesem Sonntag daran, dass der Gottessohn nicht sozusagen „vom Himmel“ gefallen ist, sondern in eine Familie hineingeboren wurde. Jesus erfuhr, wie fast alle von uns, seine fundamentale menschliche Prägung in einer konkreten familiären Gemeinschaft. In der Familie wird grundlegendes Lebenswissen vermittelt, hier entsteht Urvertrauen durch verlässliche Zuwendung und Liebe. Das trägt durch das ganze Leben, wenn es einigermaßen gelingt. Und damit vollbringen Eltern überall auf der Welt eine große Leistung, die Sympathie und Unterstützung verdient, denn „die Familie ist eine Art Schule reich entfalteter Humanität“. So sagt es jedenfalls das Zweite Vatikanische Konzil.[1]

Familienfreundlichkeit im Alltag

Der Tag der Heiligen Familie bietet Christinnen und Christen Gelegenheit zu überlegen, wie sie mehr Familienfreundlichkeit im Alltag einfordern können. Was tun Regierung und Parteien, Behörden und Firmen, damit beide Eltern auch tatsächlich für ihre Kinder da sein können - ohne finanzielle und berufliche Einbußen? Was wird unseren familiären Beziehungen an Belastungen zugemutet durch Teilzeitverträge, Arbeitslosigkeit, befristete Jobs, prekäre Selbständigkeit, Überstunden! Wie können Sozialstaat und Arbeitswelt so grundlegend reformiert werden, dass die bestehenden Nachteile für Familien mit Kindern überwunden werden, Kinder kein Armutsrisiko mehr bedeuten und weniger Alleinerziehende auf staatliche Zuwendungen angewiesen sind? Wie kann unsere Gesellschaft familiärer werden?

Am Tag der Heiligen Familie sollten wir uns nicht zuletzt auch fragen, wie wir dazu beitragen können, dass Eltern mit ihren Kindern in anderen Teilen der Welt ihr Familienleben unter menschenwürdigen Bedingungen gestalten können. Ein chinesisches Sprichwort sagt. „Wer die Menschen liebt, hat immer eine große Familie.“

Zum Autor:

Hans-Peter Hecking
Hans-Peter HeckingBild: Silvia Becker

Hans-Peter Hecking, katholischer Diplom Theologe, arbeitet als Länderreferent für missio Aachen. Im Bistum Trier wurde er zum Pastoralreferenten ausgebildet. Zahlreiche Recherche- und Projektreisen führen ihn in asiatische und afrikanische Länder, wo er Projekte begutachtet. Daneben ist er als freier Autor zu aktuellen Länderthemen tätig. Hans-Peter Hecking ist verheiratet und Vater von drei Kindern. In seiner Freizeit engagiert er sich im Aachener Kammerchor „Carmina Mundi“.



[1] Pastorale Konstitution Gaudium et Spes über die Kirche in der Welt von heute, Nr. 52