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Politik

Von Menschen und Bots im Wahlkampf

Konstantin Klein
4. Mai 2017

Wahlkampf findet nicht nur auf Plakatwänden und im Fernsehen statt. Jede Partei, die im September in den Bundestag gewählt werden will, muss auch im Netz werben - und mit den Reaktionen der Nutzer rechnen.

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Screenshot Facebook SPD
Bild: facebook.com/SPD

Das Wort von der "Politischen Farbenlehre" kommt einem in den Sinn: Hellblau-rot steht für die AfD, Gelb mit Blau und schrillem Magenta für die FDP, und Grün steht, nun ja, für die Grünen. Die SPD präsentiert sich rot, die Linke auch, die Bundes-CDU eher orange-grau, die Bayern-CSU überraschenderweise in Blau mit nur wenig Weiß. Und über allem hängt der dunkelblaue Balken, der uns signalisiert: Wir sind auf Facebook unterwegs.

Vom "Neuland" spricht im Bundestagswahlkampf keiner mehr, wenn vom Internet, genauer: von Social Media, noch genauer: von Facebook die Rede ist. Keine Partei kann es sich leisten, auf der Plattform nicht präsent zu sein, auf der 28 Millionen Deutsche angemeldet sind. Und gemessen an der Zahl der "Likes" liegt die AfD - anders als in Wahlumfragen - ganz weit vorne, weit vor CDU, SPD & Co. Über 320.000 Facebook-Nutzer lassen sich täglich mit Neuigkeiten der Bundes-AfD versorgen; die Bundes-SPD hat 138.000 Fans, die CDU 130.000 - wobei ein Klick auf den "Gefällt mir"-Button nicht automatisch bedeutet, dass dem User der Inhalt oder die Partei wirklich gefällt; es ist die Facebook-eigene Bezeichnung für den Mechanismus, Beiträge dieser oder jener Partei in der eigenen Zeitleiste angezeigt zu bekommen.

Screenshot Facebook AfD
Grobe Parolen: die Facebook-Seite der AfD Bild: Facebook

AfD-Anhänger sind hier besonders aktiv - jeder Post sammelt in kurzer Zeit reichlich zustimmende Klicks, und der Facebook-Algorithmus "belohnt" dieses Verhalten mit zusätzlicher Verbreitung.

Alle Parteien haben gelernt, was auf einer Plattform wie Facebook funktioniert: Bildstarke Beiträge, kurze Slogans, bloß nicht zuviel Text darunter. Die Ansichten, was "bildstark" ist, gehen dabei auseinander - und verändern sich auch mit der Zeit. Die FDP wirbt mit den Gesichtern des Vorsitzenden Christian Lindner und der Generalsekretärin Nicola Beer, und wenn das nicht reicht, müssen die Parteifarben ran.

Screenshot Facebook FDP
Bunt und liberal: die Facebook-Seite der FDPBild: Facebook

Farben alleine reichen aber nicht: Die FDP kommt auf knappe 75.000 Facebook-Fans, Bündnis 90/Die Grünen, die ebenfalls auf Bilder und Videos setzen, auf über 140.000, die eher textlastig daherkommende Linke auf fast 190.000.

Es geht - auch - um Inhalte

Die SPD setzt auf Martin Schulz in der Hoffnung, dass die Anziehungskraft des Kandidaten auch angesichts sinkender Umfragewerte wirkt. Neben Bildern und Slogans, so sagen Berater, sind auch Videos ein wirksames Medium, und die SPD nutzt auch ihre Facebookseite, um ein Thema, einen Deutungsrahmen zu setzen: Empathie und Gerechtigkeit.

Während Schulz und die SPD in sozialen Netzwerken dafür schon mal verspottet werden, sieht die Kognitionswissenschaftlerin Elisabeth Wehling von der University of Berkeley Schulz genau auf dem richtigen Weg: "Das ist dieses Bezugnehmen auf Werte: Ich mache keine Auflistung von Programm-Details, denn das interessiert die Menschen nicht, sondern ich gehe auf die wichtigere Ebene: Wer bin ich als Mensch, was bin ich wert, was macht mich aus?", sagt sie im DW-Interview.

Die CDU setzt aktuell das Thema "Leitkultur" dagegen, aus der Sicht der Wissenschaftlerin ebenfalls ein gelungener Zug. Die Gegner der Leitkultur-Debatte würden ihnen dabei einen "großen Gefallen" tun, weil sie das Thema immer wieder aufgriffen: "Wenn auch in dem Sinne 'Wir wollen keine Leitkultur' und den Gedanken damit immer und immer wieder in den Raum stellen und damit langfristig festigen."

Menschen und Bots

Ein Wahlkampf auf Facebook bringt Chancen mit sich - aber auch Risiken: kritische Kommentare, Gehässiges und Gepöbel müssen sich nicht nur die CDU und de Maizière gefallen lassen. "Wahlkampf-Blabla",  "mehr als peinlich", "neoliberales Geschwätz", "lächerlich" sind die harmlosesten unter den negativen Kommentaren. Wer sich durch die Kommentarspalten klickt, stellt fest: Je aktiver sich Moderatoren der Parteien einschalten, und je schneller unschöne Kommentare gelöscht werden, desto mehr haben alle von der Diskussion. Bei den kleineren Parteien geht es heftiger zur Sache. Negativbeispiel ist die AfD: Hier laufen Diskussionen scheinbar unmoderiert - entsprechend rau ist der Ton.

Dr. Elisabeth Wehling
Elisabeth Wehling: Die Leitkultur-Debatte funktioniertBild: Eleonora Palmieri

Bleibt die Frage des Wahlkampfs 2017: Wie viele der Wahlkämpfer auf Facebook und anderswo, sind überhaupt Menschen, wie viele sind "Bots", also automatisch agierende Programme? Union, SPD, Linke, Grüne und FDP lehnen den Einsatz von Bots ab. Stefan Hennewig, Marketing-Leiter der CDU, wies noch vor einem Monat auf die Gefahren durch solche Bots hin, die gezielt Themen setzten und eine vermeintlich große Zustimmung in einer Community suggerierten. Die Grünen fordern eine Kennzeichnungspflicht für solche Meinungsautomaten.

Um in Sozialen Netzwerken Wirkung zu entfalten, müssen Bots jedoch - wie ihre menschlichen Konkurrenten - zunächst selbst ein Netzwerk von "Freunden" aufbauen. Dass Bots z.B. auf Twitter die politische Meinung der Nutzer verändern und so Wahlergebnisse beeinflussen, befürchtet der Kölner Wirtschaftsinformatiker Dietmar Janetzko nicht. Auf einer Podiumsdiskussion des "Science Media Center" in Berlin sagte er: "Das Risiko einer direkten Manipulation halte ich für relativ gering. Gleichwohl halte ich es für möglich, dass es indirekte, auch langfristige Effekte gibt. Es gibt natürlich auch längerfristige Risiken, wie zum Beispiel das Risiko, dass bestimmte Foren durch zu viele Bots umkippen und sich dann die moderaten Kräfte zurückziehen."

Chat-Bot Leo CSU
"Du darfst mich gerne Leo nennen"Bild: Facebook

Die CSU dagegen stellte gerade ihren Chatbot "Leo" vor, einen Automaten, der auf Fragen reagiert, nicht von sich aus Texte postet. Mit Leo kann man sich auf Facebook ganz persönlich unterhalten - oder auch nicht. Auf die (wiederholte) Frage, was ein Chatbot im Wahlkampf bringt, antwortet er: "Du darfst mich gerne Leo nennen." 

Vielleicht spricht Leo ungern mit den Medien, vielleicht hatte er einen schlechten Tag. Oder Social Media sind doch eher etwas für richtige Menschen.