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Von P. Heribert Arens Ofm, Bad Staffelstein-Vierzehnheiligen

14. Januar 2012

Was ist das, Leben?

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Pater Heribert Arens, Bad-Staffelstein-Vierzehnheiligen
Bild: Heribert Arens

Was ist das, Leben? Dass jemand gestorben ist, beweist noch nicht, dass er gelebt hat! Dass ich da bin, heißt noch nicht, dass ich lebe! Ist denn das ein Leben?: Weckerrappeln - Kampf mit dem Kopfkissen - Aufstehen - Toilette machen - rasieren - Früh­stücken - Arbeit - Schule - Mittagessen - wieder Arbeit - Abendessen - Fernse­hen - Schlafengehen - Weckerrappeln .... Für viele verläuft das Leben in diesem "Trott" - gedankenlos, geistlos, lust­los, farblos, trostlos ... Ist das ein Leben? Leben - das ist mehr!

Leben ist Atmen: Haben Sie heute schon bewusst geatmet, gespürt, dass Sie Leben einatmen?

Leben ist Fühlen und Gefühle haben: Freude, Lachen, Weinen, Glück, Schmerz ....

Leben ist: mit Freude essen und trinken, genießen, schmecken, sich die Gaben Gottes auf der Zunge zergehen lassen.

Leben ist auch: Träumen, Ideen haben, gestalten.

Kurz: Leben, das ist mit Leib und Seele spüren: Ich lebe!

Vor kurzem bekam ich eine Spruchkarte. Der Text: "Haben Sie heute schon ge­lebt?" Ich gebe die Frage an Sie weiter: Haben Sie heute schon gelebt? Wir sagen: "Das Leben wurde mir geschenkt!" Was ist das für ein Geschenk, das Leben? Ich bekam eine Vase geschenkt: Sie steht jetzt in einem Regal. Wenn sie nicht herunterfällt, wird sie bei meinem achtzigsten Geburtstag noch genauso aussehen wie jetzt. Anders das Geschenk Leben. Es wurde mir geschenkt wie ein Keim, in dem alles angelegt ist, der erst zu sich selbst kommt, wenn er wächst, aufblüht, erproben kann, welche Kräfte, welche Bega­bungen und Fähigkeiten in ihm stecken.

Zu solchem geschenkten Leben gehört auch Fruchtbarkeit. Mein Leben will fruchtbar sein: die Frau kann Mutter werden, der Mann Vater. Unfruchtbares Leben ist kein Leben. Fruchtbar sein für das Leben der Menschen und der Welt heißt: Leben weiterschenken. Und das beschränkt sich nicht auf die körperliche Fruchtbarkeit, sondern umfasst viele Weisen des Fruchtbarwerdens. Leben, das ist wachsen dürfen, sich entfalten können, aufblühen.


Leben ist: gemeinsam leben. Die Bibel ist da sehr anschaulich: Zunächst ist da nur Adam. Der ist dem Herrgott zwar recht gut gelungen, aber da fehlt noch etwas. Adam ist allein. "Das ist nicht gut, wenn der Mensch allein ist!" stellt Gott fest. Darum gesellt er dem Adam Tiere zu. "Alles gut und schön“, sagt der, „aber nichts, was zu mir passt." Da erschafft Gott dem Adam die Eva, dem Menschen den Mitmenschen – und Adam kann jubeln: „Endlich jemand, der zu mir passt!“ – und Gott kann feststellen: jetzt ist es gut, was ich geschaffen habe, sehr gut!“

Leben, was ist das? Offensichtlich ist Leben gemeinsam leben, teilen, mitteilen, sich austauschen, gemeinsam tragen, gemeinsam sich freuen, ansehen und angesehen werden – im Kleinen, aber auch weltweit. Gemeinsam geht es besser! – Wo diese Erfahrung gemacht wird, da ist Leben.

Leben – was ist das?

Erschrecken Sie nicht: Leben ist auch sterben können, loslassen, Abschied nehmen. „Abschied ist ein bisschen wie Sterben“ sang vor Jahren Katja Ebstein. Jeder Schritt nach vorn ist ein Abschiednehmen von dem Fleck, wo mein Fuß vorher gestanden hat.

Ohne den Abschied vom Bett komme ich nicht zum Frühstück.

Ohne den Abschied vom Frühstück komme ich nicht zur Arbeit.

Ohne den Abschied von der Arbeit komme ich nicht zum Feierabend.

Ohne den Abschied von der Kindheit werde ich nie erwachsen.

Ohne den Abschied von meiner Herkunftsfamilie werde ich nie eine eigene Familie gründen.

Leben gelingt nur, wenn ich loslassen kann. Das Leben liegt vor mir. Will ich es ergreifen, müssen meine Hände frei sein.

Der christliche Glaube formuliert das so: „Geheimnis des Glaubens: im Tod ist das Leben.“ Das ist nicht nur eine Katechismusweisheit, das Herz weiß, dass das stimmt.

„Haben Sie heute schon gelebt?“ So stand es auf der Spruchkarte. Ich wünsche Ihnen, dass Sie diese Frage mit JA beantworten können.

Dann sind Sie auf der Lebensspur des Jesus von Nazareth, der von sich gesagt hat: Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben, und es in Fülle haben.“ (Joh 10, 10)

Die redaktionelle Verantwortung für die Sendung hat Dr. Silvia Becker