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Von Siedlern und Entrechteten

Bettina Marx20. Juni 2003

Israels Regierung sieht sie als Garanten der Sicherheit: Die Siedlungen in den besetzten Gebieten. Doch gelten sie auch als Hindernis für den Frieden. Ein DW-WORLD-Hintergrund schildert die palästinensische Sicht.

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Tränen auf staubigem Beton: Verzweiflung gegen BulldozerBild: AP

Offiziell gibt es nach israelischen Angaben rund 120 Siedlungen im Westjordanland und zehn im Gazastreifen. Doch ihre wirkliche Zahl ist wesentlich höher, wie Jad Ishac vom Palästinensischen Institut für angewandte Forschung ARIJ in Bethlehem feststellt. Die Unterschiede in den Schätzungen kämen dadurch zustande, dass Israel die neuen Siedlungen als Ausweitungen bestehender Siedlungen verstehe und sie entsprechend benenne. Satellitenphotos zeigten aber, dass es in der Tat mehr als 250 befestigte jüdische Gemeinden im Westjordanland und Gaza gebe.

Verdeckter Anfang als Konzept

Ständig kommen neue Siedlungen hinzu. Allein in den letzten Monaten wurden fast 40 neue Gründungen angelegt. In der Regel beginnt es ganz harmlos mit ein paar Wohnwagen, die auf einem Hügel in der Nähe einer bestehenden Siedlung aufgestellt werden und als Außenstelle dieser Gemeinde deklariert werden. Doch aus den bescheidenen Anfängen entstehen über kurz oder lang blühende Dörfer mit schmucken Villen und öffentlichen Einrichtungen. 200.000 Israelis leben in diesen Siedlungen im Westjordanland, unter zwei Millionen ihnen feindlich gesonnenen Palästinensern. Im Gazastreifen ist die Lage besonders dramatisch. Dort leben zwar nur rund 3000 Siedler. Doch verfügen sie über 40 Prozent des schmalen sandigen Landes entlang der Mittelmeerküste. Eine Million Palästinenser leben auf den verbleibenden 60 Prozent Fläche, zusammengepfercht in dicht besiedelten Städten, Dörfern und Flüchtlingslagern.

Palästinenser haben keine Wahl

Für Jad Ishac ist deshalb die ungebremste Siedlungstätigkeit Israels der eigentliche Grund für die nicht abreißende Welle der Gewalt im Nahen Osten. "Die Palästinenser sehen die israelischen Armeebulldozer gegen ihre Bäume und ihr Land als Zeichen von Staatsterrorismus an. Es schafft ein tiefes Gefühl der Verzweiflung und des Zorns. Und ich glaube, dass die israelischen Aktivitäten in den palästinensischen Gebieten als Brutkasten für die Gewalt fungieren, die wir in der Region sehen." Ministerpräsident Ariel Scharon nutze die Tatsache, dass die Weltaufmerksamkeit derzeit auf den Konflikt zwischen Pakistan und Indien gerichtet sei, um seine Siedlungspolitik voranzutreiben, fügt Ishac hinzu. Die Ausweitung der Siedlungen gehe im Moment verstärkt voran, überall im Westjordanland, einschließlich Jerusalems. Die Bulldozer, die als israelische Terrormaschinen gegen die palästinensische Bevölkerung empfunden würden, seien 24 Stunden am Tag an der Arbeit, überall im Westjordanland und in Gaza.

Nach internationalem Recht aber seien diese Siedlungen illegal und müssten vollständig geräumt werden, so Ishac. Denn je mehr Israel seine Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten ausdehne, um so größer werde die Bevölkerungsdichte in den palästinensischen Städten und Dörfern.