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Töpfe, Raupen und Klingeln

Bernd Riegert14. Februar 2007

Die europäische Einigung ist gescheitert, zumindest bei Aluminiumtöpfen, Raupenfahrzeugen und Fahrradklingeln.

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EU-Industriekommissar Günter Verheugen, der - wie weiland Don Quichotte - gegen die Windmühlen der europäischen Bürokratie kämpft, schlägt Alarm. Der Binnenmarkt für Güter, der ja eigentlich seit Jahren geltendes Recht ist, in vielen Mitgliedsstaaten noch nicht verwirklicht ist. In 26 Mitgliedsstaaten können Aluminiumtöpfe eines Herstellers verkauft werden nicht, im 27. Staat aber nicht, weil hier ein Unbedenklichkeitsnachweis verlangt wird. Baufahrzeuge, die auf Raupen im Gelände fahren, brauchen in manchen Mitgliedsstaaten Blinklichter in anderen nicht. Fahrräder dürfen in Deutschland nur mit Klingel auf den Markt. Andere EU-Staaten sind da lockerer, verlangen dafür aber Beleuchtung nur hinten oder nur vorne oder gar nichts. Die Kette der Beispiele ließe sich fast unendlich fortsetzen.

Es gilt der Beamten-Dreisatz


All diese unsinnigen unabgestimmten Regeln dienen, so vermutet der Industriekommissar, nicht dem Wohle der Verbraucher, sondern verzerren den Wettbewerb. In vielen Fällen sind die Ursprünge der bürokratischen Finessen auch gar nicht mehr nachzuvollziehen. Da gilt der Beamten-Dreisatz: 1. Das haben wir schon immer so gemacht. 2. Da könnte ja jeder kommen. 3. Das ist eben so. In den Mitgliedsstaaten gibt es zusammen genommen 1800 Ämter, die sich mit der Zulassung von Produkten aus anderen EU-Staaten beschäftigten. Da wird fröhlich geprüft, was anderswo schon längst bescheinigt wurde. Die Kosten trägt der Hersteller oder der Kunde.

Jedem seine Regeln


Damit soll jetzt Schluss sein, fordert Günter Verheugen. Schließlich gilt im Binnenmarkt der Grundsatz: Was in Frankreich oder Lettland zugelassen ist, kann in Portugal oder Schweden nicht schlecht sein und umgekehrt. Die deutsche Ratspräsidentschaft soll den den Mitgliedsstaaten auf die Finger klopfen. Doch aus verschiedenen Hauptstädten kommt schon Unmut, denn natürlich hält jeder seine eigenen Regeln, Prüfungen und Zertifikate für unverzichtbar. Der Kampf gegen Bürokratie und Wildwuchs ist eine gute Sache, allerdings gibt es da gewisse Widersprüche. Denn gerade ist die EU dabei, neue kostspielige Behörden zu gründen, eine für die Registrierung von Chemikalien, eine andere zur Überwachung der Grundrechte in Europa.

Ich dachte ja in meiner Einfalt immer, den Binnenmarkt gebe es schon längst in Reinkultur. Wie man sich täuschen kann.