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Mehr als nur Hausfrau

18. Juni 2009

Ob Lebensmittelkontrolleure, Großküchenmanager oder Diätiker – bei den Oecotrophologen werden die Jobvermittler fündig. Denn hinter dem griechisch-lateinischen Begriff verbirgt sich eine vielseitige Wissenschaft.

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Riesige Tomate auf einer Wiese (Foto: picture-alliance / Bildagentur Huber)
Bild: picture-alliance / Bildagentur Huber

Oecotrophologie, so verrät das Wörterbuch, bedeutet nichts anderes als Haushalts- und Ernährungswissenschaft. Seit den 1960er-Jahren gilt das Fach als eigenständige wissenschaftliche Disziplin in Deutschland, heute wird es von acht Universitäten und acht Fachhochschulen angeboten. An der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach besteht der Studiengang seit 1971. Während in früheren Jahrzehnten noch das Einkochen von Marmelade auf dem Lehrplan stand und erste Energiesparansätze im Haushalt untersucht wurden, setzt der Lehrplan heute andere Schwerpunkte: zum einen Ernährung, Gesundheit und Beratung, zum anderen Lebensmittelindustrie und Handel. Außerdem lernen die angehenden Oecotrophologen, wie man Großbetriebe in der Lebensmittelbranche managt, und sie untersuchen die Qualität der Produkte.

Bakterien in der Sahnetorte

Chemie-Praktikum an der Hochschule Niederrhein
Chemie-Praktikum an der Hochschule NiederrheinBild: HS Niederrhein

In der Physik testen Studierende der Hochschule in Mönchengladbad heute zwei Wasserkocher auf Leistung und Energieeffizienz, einen Stock höher im Labor für Lebensmittelchemie nehmen ihre Kommilitonen einen Kuchen auseinander. Zusammen mit ihren Kommilitonen untersucht die 23-jährige Anna-Catharina Därmann, wie viele Bakterien in der Sahnetorte vom Bäcker nebenan stecken. "Manchmal überlegt man sich nach so einem Test dreimal, ob man das getestete Produkt danach noch isst", sagt sie lachend. "Aber meistens sind die Sachen ja in Ordnung."

Anna-Catharina Därmann studiert im 6. Semester und ist begeistert, was ihr Studienfach Oecotrophologie alles zu bieten hat. "Man wird ja oft nach dem Motto belächelt, aha, du wirst diplomierte Hausfrau. Aber da irren sich die Leute ganz gewaltig", betont sie. Zur Oecotrophologie zählt ein breites interdisziplinäres Spektrum an Fachwissen, von Ernährungswissenschaft über Marketing, Marktforschung, Mikrobiologie und Qualitätsmanagement bis hin zu Reinigungstechnik, Lebensmitteltechnologie oder Haushalttechnik.

Eine Menge Lehrstoff

Studierende auf den Fluren der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach
Studierende auf den Fluren der HochschuleBild: HS Niederrhein

Im Grundstudium war Anna-Catherina Därmann anfangs überrascht, welche Fächer sie alle belegen musste. Mit Chemie, Anatomie, Biologie oder Ernährungsphysiologie hatte sie ja gerechnet. Aber auch Fächer wie Physik, EDV, Betriebswirtschaft, Marktforschung oder Produktentwicklung stehen auf dem Lehrplan. Die 500 überwiegend weiblichen Studierenden an der Fachhochschule in Mönchengladbach absolvieren keine Ausbildung zu Spezialisten, sondern sie werden zu Allroundern. Im Grundstudium hat Anna-Catherina Därmann so ihr Faible für BWL entdeckt und träumt von einer beruflichen Zukunft in der Lebensmittelmarkt- oder Verbraucherforschung. Dabei hatte sie ursprünglich ganz andere Pläne: "Ich habe das Studium damals angefangen, weil ich unbedingt Ernährungsberaterin werden wollte", erzählt sie. Schon in der Schule habe sie ihre Freundinnen genervt, dass die sich gesund ernähren sollten und ihnen verboten, bestimmte Sachen zu essen – wenn auch nicht sehr erfolgreich.

Von der Couchpotato zum Marathonläufer

Löffel mit Müsli (Foto: picture-alliance / ZB)
"Gesunde Ernährung lässt sich nicht erzwingen"Bild: picture-alliance/ZB

Heute geht die Studentin das Thema Ernährung lockerer an und lässt ihre Freunde auf den Tisch stellen, was sie wollen, denn sie hat gelernt, dass man eine gesunde Ernährung nicht erzwingen kann. Allerdings kann man durchaus nachhelfen, wie das Studienprojekt "Von der Couchpotato zum Marathonläufer" gezeigt hat. 38 Studierende wurden von ihren Kommilitonen sechs Monate lang zunächst auf dem Laufband und dann im Stadion auf die Langstrecke vorbreitet, dabei kontrollierten die Oecotrophologiestudenten nicht nur Herzfrequenz und Atemvolumen der Probanden, sondern stellten auch deren Ernährung um. Anna-Catherina Därmann konnte die Leistungssteigerung hautnah miterleben, denn ihr Mitbewohner war an dem Projekt beteiligt. Für sie sei das allerdings nichts, sagt sie. Sie ernähre sie sich auch ohne Marathon gesund. Bei aller Begeisterung für Obst und Gemüse gönnt sich die Studentin allerdings ab und an einen Schokoriegel. "Ich kenne aber Studenten, die krampfhaft Diät machen", sagt sie. Ihrer Meinung nach solle man Oecotrophologie jedoch nicht studieren, um eine Essstörung zu bekämpfen. "Ich glaube, es ist am besten, wenn man hier wirklich mit einem gesunden Mittelmaß reinkommt und studiert, weil es einem Spaß macht, und mit einem gesunden Mittelmaß wieder rausgeht."


Autorin: Suzanne Cords
Redaktion: Svenja Üing