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Sterbehilfe unter Strafe?

leix4. Juli 2008

Die deutschen Bundesländer haben sich nicht auf ein Gesetz zum Verbot gewerbsmäßiger Sterbehilfe geeinigt. Ein Straftatbestand soll aber noch dieses Jahr geschaffen werden.

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Junge Hand hält alte Hände (Quelle: AP)
Darf man einem Lebensmüden beim Sterben helfen?Bild: AP

In möglichst großem Einvernehmen wollen die Bundesländer ein Gesetz gegen kommerzielle Sterbehilfe auf den Weg bringen. Der Bundesrat stellte deshalb am Freitag (4.7.2008) kurzfristig die Abstimmung über eine umstrittene Vorlage von Hessen, Thüringen und dem Saarland zurück. Mit breiter Mehrheit verabschiedete die Länderkammer stattdessen einen Entschließungsantrag. Darin heißt es lediglich, noch in diesem Jahr "sollte" ein entsprechender Straftatbestand geschaffen werden.

Länder wollen gemeinsames Gesetz

Ein Sterbender im Hospiz "Haus Zuversicht" in Bethel bei Bielefeld (Quelle: dpa)
Sterbender im Hospiz "Haus Zuversicht" in Bethel bei BielefeldBild: picture-alliance / dpa

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll dieses Vorgehen beim Treffen der CDU-Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Vorabend abgesprochen worden sein. Über die Einzelheiten verständigten sich zudem der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) und sein baden-württembergischer Kollege Günther Oettinger (CDU). Beck erklärte, man habe eine "scheinbare Kontroverse" vermeiden wollen. In den entscheidenden Fragen des Schutzes von Leben und Würde der Menschen gebe es "keine grundsätzlichen Unterschiede", allenfalls bei den Instrumentarien.

Umstritten war vor allem das Vorhaben, schon die bloße Gründung eines Vereins zu bestrafen, der Menschen die Gelegenheit zur Selbsttötung bieten will. Nach dem Entschließungsantrag, der letztlich von 14 Bundesländern mitgetragen wurde, soll dieser Punkt noch einmal geprüft werden. Lediglich Nordrhein-Westfalen und Berlin stimmten nicht für das Papier.

Kommerzielle Sterbehilfe soll strafbar sein

Bestraft werden soll auf dieser Grundlage, "das Betreiben eines Gewerbes, dessen Zweck oder Tätigkeit darauf gerichtet ist, anderen die Gelegenheit zur Selbsttötung zu gewähren oder zu verschaffen". Ebenso muss mit Strafe rechnen, wer Mittel für einen Selbstmord gewerblich anbietet und vertreibt, sowie wer in einem derartigen Gewerbe eine maßgebende Rolle einnimmt. Dagegen sollen Schmerzmedizin und Hospizarbeit gestärkt werden, um schwerstkranken Menschen zu helfen

Ex-Justizsenator stellt Gift bereit

Roger Kusch präsentiert der Presse ein Video der inzwischen verstorbenen Frau (Quelle: AP)
Roger Kusch präsentiert der Presse ein Video der inzwischen verstorbenen FrauBild: AP

Aktualität gewinnen die Länder-Initiativen durch die umstrittene Aktion des früheren Hamburger Justizsenators Roger Kusch. Er hatte einer 79-jährigen Frau, die nicht unheilbar krank war, aber Angst vor einem Leben im Heim hatte, tödliche Medizin besorgt und somit passiv Sterbehilfe geleistet. Deutschlands größte Boulevardzeitung Bild setzte Kusch daraufhin mit einem Mörder gleich. Ärzteverbände zeigten sich empört. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach sich in einem TV-Interview gegen jede Form der aktiven Sterbehilfe aus. Aktive Sterbehilfe ist in Deutschland verboten. Töten auf Verlangen kann mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden.

Richterbund: Verbot praxisfern

Dennoch stößt die Absicht eines Verbots gewerblicher passiver Sterbehilfe bei Juristen auf Bedenken: Es sei zwar moralisch begründet, aber praxisfern, kritisierte der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Christoph Frank in der Neuen Osnabrücker Zeitung: "Wenn eine neue Vorschrift geschaffen würde, müsste sie das strafbare Verhalten so präzise und zweifelsfrei beschreiben, dass Polizei und Staatsanwälte auch etwas damit anfangen könnten." Er habe aber ganz erhebliche Zweifel, ob das gelingen könne.

Eine Mehrheit der Bundesbürger lehnt das bestehende grundsätzliche Verbot aktiver Sterbehilfe ab. Bei einer Emnid-Umfrage für den Fernsehsender N24 sprachen sich nur 13 Prozent dafür aus. Dagegen wünschten sich 55 Prozent, dass jeder Mensch frei entscheiden kann, ob er sein Leben beenden will und wessen Hilfe er dazu sucht. (leix)