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Die neue Simplicissimus

14. August 2009

Der "Simplicissimus" ist Weltliteratur. Unzählige Leser haben versucht, sich in diesen Roman zu vertiefen. Manche haben es bis zum Ende geschafft, viele sind daran gescheitert. Das hat Gründe.

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Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (1621-1676) Werke: Der Abenteuerliche Simplicissimus (1669, 5 Bücher) - Titelkupfer und Titelblatt einer der ersten Ausgaben, Moempelgard (Johann Fillion) (Foto: picture-alliance / akg-images)
Bild: picture-alliance / akg-images

So las sich bisher der "Simplicissimus", der mit diesen Sätzen beginnt:

"DER ABENTHEUERLICHE SIMPLICISSIMUS TEUTSCH / Das ist: Die Beschreibung deß Lebens eines seltzamen Vaganten / genant Melchior Sternfels von Fuchshaim / wo und welcher gestalt Er nemlich in diese Welt kommen / was er darinn gesehen / gelernet / erfahren und außgestanden / auch warumb er solche wieder freywillig quittirt. Überauß lustig / und männiglich nutzlich zu lesen.“

Das Buchcover der neuen Ausgabe im Eichborn Verlag

Und so liest sich der "Simplicissimus" heute - in der Übersetzung von Reinhard Kaiser:

"Der abenteuerliche Simplicissimus Deutsch.

Das ist die Beschreibung des Lebens eines seltsamen Vaganten, genannt Melchior Sternfels von Fuchshaim, nämlich: wo und wie er in diese Welt gekommen, was er darin gesehen, erfahren, gelernt und ausgestanden, auch warum er sie freiwillig wieder verlassen hat. Überaus unterhaltsam und für jedermann nützlich zu lesen."

Folterszenen aus dem 4. Kapitel des ersten Buches in der alten Fassung:

"Da fing man erst an, die Stein von den Pistolen, und hingegen an deren Statt der Bauren Daumen aufzuschrauben, und die armen Schelmen so zu foltern, als wenn man hätt Hexen brennen wollen, maßen sie auch einen von den gefangenen Bauren bereits in Backofen steckten, und mit Feuer hinter ihm her waren, ohnangesehen er noch nichts bekannt hatte; einem andern machten sie ein Seil um den Kopf und reitelten es mit einem Bengel zusammen, daß ihm das Blut zu Mund, Nas und Ohren heraus sprang. In Summa, es hatte jeder seine eigene Invention, die Bauren zu peinigen, und also auch jeder Bauer seine sonderbare Marter."

Dieselbe Passage des "Simplicissimus" liest sich in der Version von Reinhard Kaiser so:

"Nun erst fing man an, die Feuersteine von den Pistolen ab- und, statt ihrer, die Daumen der Bauern hineinzuschrauben und die armen Kerle so zu foltern, als wollten sie Hexen verbrennen, wie sie denn auch einen von den gefangenen Bauern in den Backofen steckten und mit Feuer hinter ihm her waren, obwohl er noch gar nichts gestanden hatte. Einem anderen banden sie ein Seil um den Kopf und drehten es mit einem Knebel so zusammen, dass ihm das Blut zu Mund, Nase und Ohren herausspritzte. Kurz, jeder hatte seine eigenen Erfindungen, um die Bauern zu peinigen, und so bekam jeder Bauer seine eigene Marter."

Redaktion: Gabriela Schaaf / Andreas Main


Die Angaben zur Neuausgabe: Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen: Der abenteuerliche Simplicissimus Deutsch. Aus dem Deutschen des 17. Jahrhunderts und mit einem Nachwort von Reinhard Kaiser. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main. Reihe "Die Andere Bibliothek", 772 Seiten in zwei Bänden im Schuber kosten 69 Euro. Alternativ kostet der Einzelband mit 768 Seiten 49,95 Euro.