1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Vorsicht Panzerknacker!

Wolfgang Dick30. Januar 2016

In Deutschland werden immer mehr Geldautomaten in Banken gesprengt. Nur bei jedem zweiten Überfall wird Geld erbeutet. Doch die Explosionen verursachen Millionenschäden und haben seit 2011 drastisch zugenommen.

https://p.dw.com/p/1Hm5B
Eine Polizistin steht vor einem gesprengten Vorraum einer Bank mit Geldautomaten. Foto: Foto: Benjamin Westhoff/dpa
Bild: picture-alliance/dpa/B. Westhoff

Für schwere Diebstähle wurden alleine im Jahr 2015 insgesamt 132 Geldautomaten gesprengt. 2011 waren es nur 38, bilanziert das Bundeskriminalamt (BKA) die enorme Zunahme. Auch in diesem Jahr setzt sich die Serie fort – wieder vorwiegend im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein- Westfalen.

Vor allem in ländlichen Regionen, in Gemeinden um die 1000 Einwohner schlagen die Täter bevorzugt zu. Die Nähe von Bundesautobahnen ist entscheidend bei der Auswahl der Banken. Kein Wunder: "Die Täter flüchten schnell und halten sich selten länger als fünf Minuten mit den Sprengungen auf", erklärt eine Sprecherin im Landeskriminalamt in Düsseldorf.

Gefährliches Gasgemisch

Die Kamera einer Videoüberwachung konnte bei einer Sprengung in Niederkassel-Mondorf bei Bonn den Tathergang genau festhalten. Danach klebten die Täter zuerst den Geldautomaten luftdicht ab und leiteten danach aus mitgebrachten Flaschen ein Gasgemisch in den Automaten ein. Dann wurde das Gas gezündet. Einen Versuch, die Kamera zuzuhängen, unternahmen die Räuber nicht. Sie agierten vermummt.

Bei den Überfällen läuft alles scheinbar routiniert ab. Die Detonation verletzt die Täter nicht, aber der Vorraum der Bank ist wie bei einem Bombenangriff zerstört. Der Schaden in den Gebäuden aller überfallenen Banken beläuft sich bundesweit inzwischen auf nahezu zehn Millionen Euro.

Gesprengter Geldautomat (Foto: dpa)
Der Schaden wiegt häufig schwerer als der Verlust des GeldesBild: picture-alliance/dpa/T. Titz

Geschäftsfeld für kriminelle Banden

Was geht da vor? Warum nehmen diese Taten so massiv zu? Laut BKA handelt es sich bei den Panzerknackern sowohl um Einzeltäter als auch um kriminelle Banden, die mal aus der jeweiligen Region, mal aus den Niederlanden, mal aus Ost- oder Südosteuropa kommen.

Die Täter sind nicht immer professionell: Nur bei der Hälfte aller Sprengungen erbeuten sie auch tatsächlich Geld. Die Sachschäden an Geräten und Gebäuden sind jedoch immens. In einem Fall im Kreis Aachen wird sogar versucht, einen Tresor mit einem Traktor aus der Wandverankerung zu reißen.

Weil die Täter vorwiegend im grenznahen Bereich zu den Niederlanden zuschlagen, konzentriert sich das Landeskriminalamt auf reisende Banden, die sich spezialisiert haben. Durchschnittlich werden bei den gefährlichen Tresoranschlägen um die 140.000 Euro erbeutet.

Verfolgungsjagden und erste Verhaftungen

In ihren intensiven Untersuchungen bedient sich die Polizei aller denkbaren Fahndungsinstrumente, einschließlich verdeckter Ermittlungen samt Verkehrs- und Telefonüberwachung.

Einem mobilen Einsatzkommando der Landekriminalpolizei Nordrhein Westfalen in Dorsten gelang es, eine Gruppe auf frischer Tat zu stellen. Es waren deutsche Staatsangehörige, drei Männer im Alter zwischen 26 und 33 Jahren. Sie sollen seit März 2015 alleine 13 Geldautomaten gesprengt haben. In Hamm wird eine Bande gestoppt, die sich auf Geldautomaten in Baumärkten spezialisiert hatte.

Abgesperrter Tatort (Foto: dpa)
Vor allem Geldautomaten in Sparkassen wurden von den Tätern gesprengtBild: picture-alliance/dpa/T. Titz

Geldtransporter im Visier

Im Juni und Dezember 2015 wurden keine Geldautomaten gesprengt, stattdessen wurden zwei Geldtransporter überfallen. Drei Maskierte ließen eine Panzerfaust ungenutzt, schossen dafür mit Schnellfeuerwaffen der Marke Kalaschnikow auf den Wagen. Sie Kugeln blieben im Blech und in den Reifen stecken. Flucht ohne Beute.

Nach diesen Taten geschieht etwas fast unglaubliches. Es werden am Tatort die DNA-Spuren von drei Mitgliedern der Roten Armee Fraktion (RAF) gefunden. Diese Vereinigung war für den linksmotivierten Terror der 1970er Jahre verantwortlich, hatte sich aber in einem offiziellen Schreiben 1998 für aufgelöst erklärt. Die RAF hatte noch 1993 einen Sprengstoffanschlag auf ein Gefängnis in Hessen verübt.

Gibt es einen Zusammenhang? Die Bundesanwaltschaft sieht keinen terroristischen Hintergrund der Überfälle. Zu einem denkbaren Zusammenhang mit den gesprengten Bankautomaten gibt es von keiner Ermittlerseite eine Äußerung.

Deutsche Banken nachlässig

Die wichtigsten Gründe, warum die Sprengung von Geldautomaten besonders in Deutschland zugenommen haben, sind in einem "Lagebild" des Polizeipräsidiums Potsdam aufgelistet: Zu wenig Videoüberwachung und keine Geldmarkierung bei Manipulationen am Automaten. In einigen europäischen Nachbarländern wie Holland, Belgien oder Frankreich, wo dieser kriminelle Geschäftszweig schon früher "entdeckt" wurde, werden die Geldscheine bei einem Angriff auf den Geldautomaten mit einer Farbspritze markiert und so unbrauchbar gemacht.

Deutsche Banken scheuten bisher diese Investitionen. Der Geschäftsführer des Bankenverbandes NRW, Franz-Josef Arndt erklärte gegenüber der Zeitung "Handelsblatt", dass man Angriffe auf Bankautomaten ohnehin nie komplett verhindern könne.

Viele Banken sind inzwischen dazu übergegangen, die Schalterräume zwischen ein und drei Uhr nachts für den Publikumsverkehr zu schließen. Hersteller von Geldautomaten haben eine Vorrichtung entwickelt, die die Energie eines Gasangriffs abfängt. Die Polizei hat den Banken weitere Tipps gegeben, wie man dem Spuk ein Ende bereitet. Diese Hinweise werden aber aus "ermittlungstaktischen Gründen" geheim gehalten.