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Vorwürfe reißen nicht ab

21. Januar 2004

Florian Gerster steht seit Wochen wegen angeblich nicht genehmigter Verträge der Bundesagentur für Arbeit (BA) mit Unternehmensberatern in der Kritik. Jetzt spitzen sich die Spekulationen um den Vorstandsvorsitzenden zu.

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Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses: Florian GersterBild: AP

Schon im vergangenen Jahr war Gerster wegen der Vergabe eines Millionenauftrags ohne Ausschreibung in die Kritik geraten. Am Mittwoch (21.1.) berichteten mehrere Zeitungen nun, die Innenrevision der Bundesagentur für Arbeit (BA) habe drei neue Beraterverträge entdeckt, die ohne Ausschreibung vergeben worden seien, darunter auch zwei Verträge mit der Unternehmensberatung Roland Berger.

Die Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit sagte, es gehe keineswegs um neu aufgetauchte Verträge. Sie seien vielmehr Bestandteil der laufenden Prüfung der Innenrevision. Ein Verzicht auf eine Ausschreibung müsse nicht zwingend rechtswidrig gewesen sein. Derzeit würden 48 Beraterverträge mit einem Volumen von jeweils mehr als 200.000 Euro überprüft.

Rücktrittsforderungen

Gerster rechtfertigt sich vor Ausschuß
Vor dem Wirtschaftsausschuss des Bundestages im November 2003Bild: AP

Der Vorsitzende des Bundestags-Wirtschafstausschusses, Rainer Wend (SPD), sagte in der Zeitung "Financial Times Deutschland", Gerster habe im Ausschuss beteuert, dass es keine anderen Verträge gebe, die gegen das Vergaberecht verstoßen. "Wenn das nicht stimmt, hat er gelogen und muss das auch verantworten." Der Arbeitsmarktpolitiker Karl-Josef Laumann (CDU) forderte, Gerster müsse sofort entlassen werden, falls sich die neuen Vorwürfe bestätigten. Diese Meinung wird auch von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt vertreten.

Dagegen erhielt der Chef der BA von Seiten der FDP Rückendeckung. Die Liberalen sehen hinter den Vorwürfen eine "gesteuerte Kampagne" innerhalb der BA. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher Dirk Niebel sagte in einem Fernsehinterview, es gebe in der Bundesagentur "durchaus interessierte Kreise, die ein Interesse daran haben, dass Herr Gerster weg oder zumindest schwach ist, weil er sie in seinem Reformvorhaben in ihren eigenen Kreisen stört."

Kein Interesse an weniger Arbeitslosen?

Zum Beispiel funktioniere Gersters Vorhaben, Beitragsmittel bei der Weiterbildung effizienter zu nutzen, "einigermaßen gut". Dies treffe aber eine ganze "Arbeitslosenindustrie", womit Niebel unter anderem die Bildungsträger in Deutschland meint. In der BA gebe es "einige Leute auch innerhalb der Selbstverwaltungsgremien, die zumindest institutionelle Verbundenheit mit den größten Bildungsträgern in Deutschland haben."

So gehöre etwa die Deutsche Angestellten-Akademie als größter Bildungsträger im Lande der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Zweitgrößter Bildungsträger sei das Berufsfortbildungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB.

Der Verwaltungsrat der BA, der sich aus Arbeitgebern, Gewerkschaftern und Vertretern der öffentlichen Hand zusammensetzt, überwacht die Arbeit der BA und den dreiköpfigen Vorstand der Behörde. Das Gremium war am Dienstagabend (20.1.) in Berlin zu einer Krisensitzung zusammengekommen.

Untersuchungen gehen weiter

Über Ergebnisse der Beratungen wurde nichts bekannt. Die Vorsitzende des BA-Verwaltungsrates und DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer sagte, der Verwaltungsrat werde sich am Sonntag (25.1.) erneut mit den Vorwürfen gegen Gerster befassen.

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) lehnte auch nach den neuen Vorwürfen Spekulationen über Gersters Zukunft ab. Er sagte, erst müsse der Revisionsbericht zu den Beraterverträgen abgewartet werden. Gerster selbst hatte am Dienstag Spekulationen über seinen Rücktritt zurückgewiesen und gesagt, es gebe politisch und auch anderweitig motivierte Versuche, den Umbauprozess der BA zu behindern oder ihn selbst in seiner Arbeit zu beschädigen. (je)