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Mail aus...

15. Mai 2009

Bleistift gewinnt gegen Maschine: In Irland hat die Regierung entschieden, bei der Europawahl auf Altmodisches zu setzen. Die Wahlcomputer werden nun verschrottet, wie uns Martin Alioth in seiner "Mail aus…" schreibt.

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Auszählen in Irland (AP Photo/Peter Morrison)
Wahlcomputer sind Out, Zählen ist wieder In.Bild: AP

Die Iren räumen mit den Torheiten der Vergangenheit auf: Alte Schnapsideen werden entsorgt. Eine kühne - wenn auch überfällige - Entscheidung des grünen Innenministers John Gormley veranschaulicht die Zusammenhänge: Er verkündete unlängst, er werde die 700 elektronischen Wahlmaschinen, die seit Jahren in Lagerhäusern vergammeln, verschrotten. Die riesigen Geräte hatten vor sieben Jahren immerhin 51 Millionen Euro gekostet. Ihre Anschaffung war damals ein Indiz für die bedingungslose Zukunftsgläubigkeit der Politiker und für ihren respektlosen Umgang mit kostbaren Traditionen.

Die Auszählung ist spannender als das Ergebnis

Der damalige Premierminister Bertie Ahern verteidigte die Mechanisierung der Auszählung damit, dass Irland sonst zum Gespött Europas würde - mit seinen "dämlichen alten Bleistiften". Dass er damit auch den Kern der irischen Demokratie aushöhlte, war ihm offenbar egal. Denn Wahlen in Irland sind immer noch ein Volkssport. Oder genauer: Die Auszählung der Stimmen macht Spaß.

Denn Irland hat ein so genanntes Präferenzwahl-System: Die Vorlieben jedes einzelnen Wählers werden schrittweise durchgezählt, bis die erfolgreichen Kandidaten fest stehen. Während ausgezählt wird, sitzt die ganze Nation vor dem Radio oder dem Fernseher und amüsiert sich königlich. Nebenbei erhält sie einen tiefen Einblick ins Räderwerk der irischen Demokratie. Eine Maschine dagegen, die sofort ein steriles Endergebnis ausspuckt, erwürgt diese politische Kultur.

Mit dem Bleistift zur Wahl

Doch die Geräte funktionierten glücklicherweise nicht richtig und wurden daher eingemottet. Jetzt ist der Spuk vorbei, die irischen Wähler werden ihre Präferenzen bei der Europawahl am 5. Juni nach alter Sitte mit einem "dämlichen Bleistift" vermerken.

Autor: Martin Alioth

Redakteur: Richard A. Fuchs