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Während des Kalten Kriegs Symbol für konsequenten Widerstand, nach 1989 nicht frei von Widersprüchen

30. Januar 2003

- Vaclav Havels Verhältnis zu den Kommunisten

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Prag, 28.1.2003, RADIO PRAG, deutsch, Silja Schultheis

Als engagierter Dissident und Schriftsteller wurde er lange vor dem Fall des Eisernen Vorhangs zum Symbol des Widerstands gegen das kommunistische Regime schlechthin. Als Präsident war sein Verhältnis zur Kommunistischen Partei nicht ganz so unumstritten und frei von Widersprüchen.

Aus seiner ablehnenden Haltung gegen die Kommunistische Partei hat Vaclav Havel auch als Präsident nie einen Hehl gemacht. Verhandlungen mit ihren Vertretern auf politischer Ebene lehnte er konsequent ab, wo es ging. Auf der anderen Seite ernannte er gleich nach der Wende Marian Calfa, einen ehemaligen Kommunisten, zum ersten Regierungschef der postkommunistischen Tschechoslowakei, was noch heute manchen politischen Beobachtern ein Rätsel ist. Ladislav Cabada, Leiter des Lehrstuhls für Soziologie und Politologie der Fakultät für humanitäre Studien an der Westböhmischen Universität Pilsen, erklärt ihn sich so:

"Ich denke, dass Vaclav Havel die Kommunisten eigentlich in zwei Gruppen teilt: Die Kommunisten, die er hasst, und die reformierten Kommunisten, mit denen er zusammen arbeiten wollte. Das waren z.B. Calfa, aber auch viele der sog. Reformkommunisten des Jahres 1968. Mir ist nicht ganz klar, ob wir diese Frage ideologisch beurteilen können, oder ob es nicht eigentlich eine Frage der persönlichen Beziehung Vaclav Havels zu den genannten Leuten ist."

Eben für dieses stark durch seine persönlichen Erfahrungen - und seine Leiden - während des kommunistischen Regimes geprägte Verhältnis wurde Havel als Staatsmann nicht selten kritisiert. Man warf ihm vor, er habe damit zur Polarisierung der politischen Szene beigetragen und nicht zuletzt genau das Gegenteil von dem erreicht, was er eigentlich bezweckte - eine Stärkung der Kommunistischen Partei. Eben jenen Trend, den Stimmenzuwachs der Kommunisten, dürfe man heute nicht mehr ignorieren, meint z.B. Petr Uhl, wie Havel ehemaliger Dissident und einer der Erstunterzeichner der Charta 77, heute engagierter Bürgerrechtler und Journalist:

"Die Kommunisten haben bei den letzten Wahlen 20 Prozent der Stimmen bekommen, das muss man respektieren. Und zwar demokratisch. Man muss einen Kampf führen, damit die Menschen nicht die Kommunisten wählen, sondern die anderen Parteien. Das ist alles, was man tun kann. Und man sollte mehr - viel mehr als heute - die Geschichte analysieren und sagen, warum es war und wie es war."

Eben in dem mangelnden Bemühen um eine konsequente und vollständige Aufklärung der kommunistischen Verbrechen sowie um deren strafrechtliche Verfolgung sehen Kritiker eine weitere Schwäche des Präsidenten Havel. Eine der wichtigsten Aufgaben seines Nachfolgers, so meint der Politologe Ladislav Cabada, wird daher darin bestehen,

"Die Kommunisten zurück in das normale politische Leben zu bringen. Viele haben gedacht, die kommunistischen Wähler werden sterben. Das ist aber nicht passiert, und jetzt ist die Zeit gekommen, wo man die Kommunistische Partei in das normale politische Leben integrieren sollte."

Es scheint, dass sich eine solche Wende im Verhältnis des tschechischen Präsidenten zu den Kommunisten jetzt abzeichnet. Alle bisherigen Präsidentschaftskandidaten haben jedenfalls unterstrichen, dass sie die Kommunistische Partei genauso wie alle übrigen Parlamentsparteien behandeln und die Auseinandersetzung mit ihr nicht scheuen werden. (fp)