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Wachablösung

14. Juni 2009

Es ist die wohl bedeutendste Veränderung im amerikanischen Fernsehen seit langem. Jay Leno, Moderator der "Tonight Show" und ohne Zweifel einflussreichster Talkmaster im Late-Night-Programm, verlässt die TV-Bühne.

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Bild: DW

Leno wird ersetzt durch den 13 Jahre jüngeren Conan O'Brien. Eine Wachablösung, die selbst Präsident Barack Obama öffentlich kommentierte. Denn Late-Night-Comedy ist in Amerika weitaus mehr als nur Unterhaltung. Die abendlichen Shows sind politische Stimmungsmesser, formen die öffentliche Meinung und bieten Politikern eine perfekte Bühne zur Selbstdarstellung.

"Der Weg ins Weiße Haus führt nur über meine Late Show"

Jay Leno, John Stewart, David Letterman und nun auch Conan O'Brien: Late-Night-Talkmaster und Comedians gehören zu den politischen Meinungsmachern der amerikanischen Nation. In ihren Sendungen werden Stimmungen erzeugt, Wege geebnet und Karrieren versenkt. 17 Jahre lang war Lenos "Tonight Show" Plattform für etliche spektakuläre Aktionen wie Arnold Schwarzeneggers Ankündigung, sich 2003 als Kandidat für den Gouverneursposten von Kalifornien zur Wahl zu stellen.

Nicht umsonst wählte das "Time Magazine" Leno und Stewart dieses Jahr in seine Top 100 der einflussreichsten Menschen weltweit. Auch David Letterman, der mit seiner "Late Show" Abend für Abend bis zu fünf Millionen Zuschauer erreicht und damit Lenos größter Konkurrent um Einschaltquoten war, hat einen ähnlichen Anspruch. Er propagierte vor der Wahl 2008: "Der Weg zum Weißen Haus führt nur über meine Sendung."

Politiker sind Dauergäste auf der Late-Night-Couch

Alles begann 1992 mit Bill Clintons legendärem Late-Night Auftritt in der damals populären "Arsenio Hall Show". Der demokratische Kandidat spielte "Heartbreak Hotel" auf seinem Saxophon, gewann beachtliche Popularität besonders unter der jungen Bevölkerung und später im Jahr auch die Wahl zum amerikanischen Präsidenten. Heute geben sich hochrangige Politiker im Late Night TV förmlich die Klinke in die Hand. Alleine während des Wahlkampfes 2008 tauchten Clinton, Obama, McCain und Co unglaubliche 110 Mal in diversen Comedy-Formaten auf.

Mit Barack Obama gab sich vor einigen Wochen nun auch der erste amtierende Präsident die Ehre. Lässig nahm er neben Jay Leno auf der Couch Platz, scherzte, lachte und plauderte fröhlich über Themen wie internationale Wirtschaftskrise, die kritische Arbeitsmarktsituation in den USA und Bo, den neuen Familienhund der Obamas.

Comedian unter den vertrauenswürdigsten US-Journalisten

Diese Nominierung dürfte auch John Stewart selbst überrascht haben: Der Moderator der "Daily Show", die jeden Abend auf dem Sender "Comedy Central" ausgestrahlt wird, landete in einer Umfrage auf Platz 4 der vertrauenswürdigsten Journalisten in Amerika. Mit einer Mischung aus politischer Satire und frei erfundenen Nachrichten unterhält Stewart jeden Abend durchschnittlich 1,8 Millionen überwiegend junge Zuschauer. Laut Statistik schenken mittlerweile rund ein Drittel der unter 30-jährigen Amerikaner Late-Night-Komikern wie Stewart mehr Vertrauen als Tageszeitungen oder traditionellen Nachrichtenshows.

O'Brien besetzt wichtigste Personalie im amerikanischen TV-Markt

Da mit Jay Leno nun einer der ganz großen Stimmungsmacher aus dem Rampenlicht verschwindet, war seine Nachfolge bei der "Tonight Show" besonders gründlich vorbereitet worden. Ganze fünf Jahre vor der eigentlichen Ablösung stand der Ersatz für die wahrscheinlich wichtigste Personalie im amerikanischen TV schon fest. Conan O'Brien, vor seiner Talkshow-Karriere als Autor für "Die Simpsons" und "Saturday Night Live" tätig, soll Lenos Erbe weiterführen. Präsident Obama würdigte O'Brien immerhin schon als passenden Nachfolger, machte neulich im NBC-Interview aber auch eines klar: Geld vom Staat wird es im Falle schlechter Einschaltquoten nicht geben.

Autor: Lars Scholtyssyk
Redaktion: Julia Elvers-Guyot