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Die WADA erzürnt Gemüter

Kerstin Palzer, Moskau13. November 2015

Kaum etwas interessiert die Russen so sehr wie Sport. Die Weltmeister und Olympiasieger sind nationale Stars. Nach den Empfehlungen der Welt-Anti-Doping-Agentur soll das alles bald vorbei sein. Aus Moskau Kerstin Palzer.

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WADA empfehlt Russland Ausschluss Symbolbild Weltmeisterschaft in Moskau 2013
Bild: picture alliance/epa/R. Ghement

Sport ist wichtig in Russland. Und Leichtathletik ist es erst recht. Als "Die Königin des Sports" bezeichnen die Russen die Sportart stolz. Die besten Leichtathleten sind berühmte Stars, werden angehimmelt und wenn die Wettkämpfe im Fernsehen übertragen werden, schaut ein Millionenpublikum zu.

Bei den letzten Olympischen Spielen wollte das russische Meinungs-Institut "Levada" von seinen Landsleuten wissen, für welche Sportart sie sich am meisten interessieren. Das Ergebnis: Fußball auf Platz 1, direkt dahiner die Leichtathletik.

Sport erhitzt die Gemüter

Das erklärt auch die Stimmung, die seit Montag auf den Straßen Moskaus herrscht. Aufgebracht diskutieren die Moskowiter über den Doping-Skandal, sie regen sich auf und sagen ihre Meinung laut und deutlich. Denn obwohl politische oder wirtschaftliche Themen in russischen Zeitungen einen großen Teil einnehmen, der Sport erhitzt die russischen Gemüter. Das ist hier nicht anders als in Deutschland.

Bereits im Dezember 2014 sendete die ARD eine Dokumentation "Geheimsache Doping - wie Russland seine Sieger macht". Darin wird enthüllt, dass in Russland nicht nur Dopingfälle auf der Tagesordnung stehen, sondern das Ganze auch noch von staatlichen Stellen gedeckt und vertuscht wird. Auf diese Enthüllungen und Aufdeckungen gab es in der russischen Öffentlichkeit allerdings kaum Reaktionen.

Moskauer Anti-Doping-Labor geschlossen

Am Montag veröffentlichte die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) nun einen umfangreichen Bericht, der sowohl die Vorwürfe der Dokumentation bestätigte, als auch Sanktionen für den russischen Leichtathletik-Verband und die russischen Athleten empfahl. Als erste Konsequenz entzog die WADA am Dienstag dem russischen Labor, das eigentlich die Doping-Proben der russischen Sportler überwachen soll, die Lizenz. Der Chef dieses Labors, Gregori Rodschenkow, gab zu, mehr als 1000 Doping-Proben beseitigt zu haben lassen. Er trat am Mittwoch zurück.

Das Anti-Doping-Labor in Moskau (Foto: picture-alliance/AP/A. Zemlianichenko)
Das Anti-Doping-Labor in Moskau steht nun ohne Lizenz daBild: picture-alliance/AP Photo/A. Zemlianichenko

Jetzt gibt es in den russischen Medien kaum ein anderes Thema mehr. Der Tenor: Dopingsünder seien hart zu bestrafen, aber man könne den ehrlichen Sportlern, die sich nichts zu Schulde haben kommen lassen, die Teilnahme an den Wettbewerben doch nicht verbieten.

"WADA gegen Russland", "Kübel Dreck", "Sippenhaft"

So zitiert die russische Tageszeitung "Kommersant" den Trainer Alexander Zyplakow: "Sie wollen uns etwas wegnehmen und der ganzen Welt zeigen, dass wir schlecht sind. Dann sollen sie das tun!" Und die Moskauer Zeitung Sport Express titelt: "WADA gegen Russland" und schreibt von einem "Kübel Dreck (…), der über unserem Sport ausgeschüttet worden ist." Man könne doch nicht das ganze Team, jeden Sportler für etwas bestrafen, was einige (wenige) getan haben, ist auch die einhellige Meinung in der Bevölkerung. Sippenhaft wäre das, ungerecht und ein unglaubliches Ansinnen des Westens, schimpfen viele.

Der Chef des russischen nationalen Olympischen Komitees (NOK), Alexander Schukow, sagte unter anderem im russischen Fernsehen, dass sich Russland gegen einen möglichen Ausschluss seiner Leichtathleten von den Olympischen Spielen 2016 wehren werde. "Ich bin sicher, dass saubere Sportler nicht verbannt werden."

"Gedopt wird überall"

Dabei sind viele Russen durchaus der Meinung, dass auch hier in Russland gedopt wird. Ein Mann sagt: "Im Sport wird doch schon lange nicht durch die Sportler entschieden, wer gewinnt, sondern durch die Chemie!" Aber dieses Doping-Problem, da ist man sich sicher, sei doch nicht nur in Russland vorhanden. "Gedopt wird überall auf der Welt, aber nur wenn es bei uns auffliegt, wollen sie gleich die ganze Mannschaft sperren", ist sich eine Russin sicher.

Viele Russen empfinden die Veröffentlichung der Doping-Vorwürfe und die geplanten Sanktionen gegen die russische Mannschaft als Teil der Anti-Russland-Stimmung, die seit einigen Jahren im Westen herrscht. Dies sei gemacht, um den Ruf Russlands zu schädigen.

Russland Sportminister Witaly Mutko und Präsident Wladmir Putin (Foto: picture-alliance/AP Images/A. Druzhinin)
Russland Sportminister Witaly Mutko (li.) und Präsident Wladmir Putin kämpfen um den Ruf des russischen SportsBild: picture-alliance/AP Images/A. Druzhinin

Da stimmen die Russen ihrem Präsidenten Wladimir Putin zu, wenn der zwar eine genaue Untersuchung der Vorwürfe fordert, aber auch betont, dass dies durch russische Behörden erfolgen soll. Und das Angebot des russischen Sportministers Vitali Mutko, dass alle russischen Anti-Doping-Gremien bereit seien, sich einer Eignungsprüfung zu unterziehen und sogar "einen ausländischen Experten als Leiter des Labors einzusetzen, falls dies notwendig sein sollte", wird in Moskau als klarer Beweis für die überaus große Kooperationsbereitschaft Russlands bewertet.

Denn selbst wenn das Vertrauen der Russen in ihre eigenen Behörden normalerweise nicht besonders ausgeprägt ist, dass jetzt ausländische, noch dazu westliche Personen, die russischen Sportler kontrollieren sollen, wie die WADA es fordert, das ist vielen hier in Russland ein Dorn im Auge. Sollte es wirklich - so die Lesart in den russischen Medien - einen Doping-Skandal bei der hochangesehenen Leichtathletik-Mannschaft Russland geben, dann will man das Ganze doch lieber selber aufräumen.