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Kalaschnikow für 300 Euro

Lindita Arapi5. Dezember 2015

Die meisten Handfeuerwaffen auf Europas Schwarzmarkt kommen aus Südosteuropa. Kriminelle und Terroristen decken sich auf dem Balkan preiswert ein - und werden zur Gefahr für den ganzen Kontinent.

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kalaschnikow mit Geldscheinen (Foto: Fotolia/Haramis Kalfar)
Bild: Fotolia/Haramis Kalfar

Die Attentäter von Paris benutzten nach Medienberichten unter anderem zwei Sturmgewehre vom Typ Zastava M70 aus dem ehemaligen Jugoslawien. Auch beim Angriff auf die Redaktion des Magazins "Charlie Hebdo" im Januar setzten die Terroristen Waffen ein, deren Spur auf den Balkan führte. Und bei der Zerschlagung einer kosovarischen Terrorzelle in Italien und dem Kosovo vor wenigen Tagen wurden in einem Dorf im Kosovo viele illegale Waffen gefunden.

Seit den Jugoslawien-Kriegen in den 1990er Jahren und der Plünderung der Munitionsdepots in Albanien im Jahr 1997 blüht ein Schwarzmarkt mit verschiedenen Waffen - nicht nur auf dem Balkan. Längst hat das Waffenarsenal der einstmals gut gerüsteten kommunistischen Staaten auch den Rest Europas erreicht. Die Preise variieren: Während auf dem Balkan eine Kalaschnikow 300 bis 500 Euro kostet, steigen die Preise in den restlichen Ländern Europas auf bis zu 2000 Euro.

Billige Waffen für Terroristen

Nach einer Studie des "Flemish Peace Institute" in Brüssel wird der größte Teil der illegalen Waffen aus den Balkanländern in andere europäische Staaten geschmuggelt. "Wir sprechen von Serbien, Kroatien, Bosnien, Albanien - man kann sagen, dass viele dieser Länder ein Problem mit den illegalen Waffen haben," sagt einer der Autoren der Studie, Nils Duquet. "Es sind die Waffen, die nach den Balkan-Kriegen in den Händen der Leute blieben." In den Ländern des Westbalkans seien insgesamt mehr illegale als legale Waffen im Umlauf.

Dass das ein riesiges Problem für die Sicherheit in ganz Europa ist, ist spätestens seit den Pariser Anschlägen klar. "Wir wissen nicht, wie die Pariser Terroristen zu den Waffen gekommen sind", sagt der UN-Waffenexperte Ivan Zverzhanovski in Belgrad. "Auf dem Balkan sind aber viele illegale Waffen noch im Umlauf - und wir wissen, dass es Verbindungen gibt zwischen den Zweitverkäufern, der organisierten Kriminalität und den Terroristen, die sie kaufen." Zverzhanovski arbeitet für das "South Eastern and Eastern Europe Clearinghouse for the Control of Small Arms and Light Weapons" (SEESAC), eine UN-Organisation für die Kontrolle leichter Waffen in Südost- und Osteuropa.

Das zerstörte Vukovar im Jahr 1991. Aus den Jugoslawien-Kriegen sind immer noch zahlreiche Handfeuerwaffen im Umlauf - Expertenschätzungen zufolge weit mehr als eine Million
Das zerstörte Vukovar im Jahr 1991. Aus den Jugoslawien-Kriegen sind immer noch zahlreiche Handfeuerwaffen im Umlauf - Expertenschätzungen zufolge weit mehr als eine MillionBild: picture alliance/dpa

"Schwarzmarkt der Verbrecher und des Terrors"

Auch der kosovarische Sicherheitsexperte Burim Ramadani vom Institut für Europäische Studien (ISPE) in Pristina schätzt das Risikopotenzial als sehr hoch ein. "Die Staaten auf dem Westbalkan sind fragile Staaten", sagt er. "Und das macht es solchen terroristischen Gruppen leichter, sich verschiedene Mengen an Waffen zu sichern.“

Albaniens Ex-Geheimdienstchef Fatos Klosi erwähnt einen anderen Aspekt des Waffenhandels. "Die Terroristen bezahlen sehr gut und so finden sie immer ihre Waffen auf dem Schwarzmarkt. Wir wissen, dass es einen Schwarzmarkt der Verbrecher und des Terrors auf dem Balkan gibt."

Beunruhigend sind die Zahlen über die illegalen Waffen im Umlauf auf dem Balkan: Laut Serbiens Innenministerium befinden sich zwischen 200.000 und 900.000 illegale Kleinwaffen allein in Serbien. Ein UN-Bericht vom vergangenen Jahr hebt besonders die hohe Zahl illegaler Waffen im Kosovo hervor – für das Land mit seinen rund zwei Millionen Einwohnern ist von rund 450.000 kleinen und leichten Waffen die Rede. Und nach Angaben der SEESAC in Belgrad könnten in Bosnien-Herzegowina immer noch rund 750.000 illegale Waffen in Privatbesitz sein.

Kaum jemand gibt freiwillig Waffen ab

Über Albanien könne man nur spekulieren, sagt Fatos Klosi. Es handele sich aber mit Sicherheit eine große Zahl, betont er. "Wir wissen, dass viele Waffen in die Hände krimineller Gruppen gelangt sind. Aber viele Waffen haben auch ganz normale Leute. Sie haben sie nach der Plünderung der Munitionsdepots in 1997 behalten, vor allem in den ländlichen Gebieten in Albanien. Es sind Menschen, die sich mit einer Waffe sicherer fühlen."

Waffen und Munition (Foto: picture-alliance/dpa/Zollfahndungsamt)
Die Waffenschmuggler benutzen oft die Routen des Drogen- und MenschenhandelsBild: picture-alliance/dpa/Zollfahndungsamt

Ähnlich ist auf dem ganzen Westbalkan. Viele Leute hätten nach den Balkankriegen die Waffen einfach behalten, meint Nils Duquet. "Wir haben herausgefunden, dass die Leute jetzt anfangen, diese Waffen zu verkaufen - und zwar an Personen, die sie dann in kleinen Mengen in die EU schmuggeln. Wenn sie da sind, dann zirkulieren sie von einer kriminellen Gruppe zur anderen."

Seit den Balkankriegen gibt es Sammelkampagnen, in denen man versucht, die Menschen zur freiwilligen Abgabe der Waffen zu bewegen. Der gewünschte Erfolg blieb und bleibt aber aus. So wurden in diesem Jahr in Serbien nur 7500 Waffen abgegeben.