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Ein Hoffnungsschimmer für Syrien

29. Februar 2016

Viele Beobachter hatten zuvor daran gezweifelt: Nach fünf Jahren Bürgerkrieg ist die Waffenruhe in Syrien weitgehend eingehalten worden. Das nährt Hoffnungen auf eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche.

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Ein kleiner Junge in Syriens Hauptstadt Damaskus (Foto dpa)
Fußball ohne Bomben: Ein kleiner Junge in Syriens Hauptstadt DamaskusBild: picture-alliance/dpa/M. Badra

Die Waffenruhe in Syrien ist von gegenseitigen Vorwürfen wegen Verstößen überschattet worden, hat am Wochenende jedoch weitgehend gehalten. Einwohner sonst umkämpfter Städte wie Aleppo zeigten sich erleichtert angesichts der ungewohnten Ruhe. "Es ist etwas Seltsames an dieser Ruhe. Wir waren gewohnt, zum Lärm der Luftangriffe und der Artillerie einzuschlafen und damit aufzuwachen", sagte der 45-jährige Bäcker Abu Omar in einem von den Rebellen gehaltenen Viertel des einstigen Wirtschaftszentrums Aleppo.

Die Feuerpause, die von den USA und Russland vermittelt worden war, gilt nur für die Regierungstruppen und knapp hundert gemäßigte und islamistische Rebellengruppen, nicht aber für die Dschihadistengruppen "Islamischer Staat" (IS) und Al-Nusra-Front. Diese Milizen kontrollieren zusammen allerdings mehr als die Hälfte des Staatsgebiets.

Deutschland beteiligt sich an der Überwachung der Waffenruhe. Im Arbeitsstab (Task Force) der internationalen Syrien-Unterstützergruppe, der in Genf sitzt, wirken nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen auch Beamte der Bundesregierung mit.

Immer wieder Verstöße

Das Hohe Verhandlungskomitees (HNC), in dem syrische Oppositions- und Rebellengruppen zusammengeschlossen sind, beschwerte sich bei UN-Generalsekretär Ban Ki Moon schriftlich, die Armee von Syriens Staatschef Baschar al-Assad und ihre Verbündeten hätten die Waffenruhe in 24 Fällen mit Artilleriefeuer sowie fünf Bodenoffensiven verletzt. Die Verstöße ereigneten sich demnach in 26 von moderaten Rebellen gehaltenen Gebieten.

Rauch steigt nach einem Luftschlag der russischen Luftwaffe am Sonntag über Aleppo auf (Foto: abaca)
Rauch steigt nach einem Luftschlag der russischen Luftwaffe am Sonntag über Aleppo aufBild: picture-alliance/abaca

Das HNC warf außerdem dem mit Assad verbündeten Russland vor, 26 Luftangriffe in Gebieten geflogen zu haben, für welche die unter UN-Vermittlung ausgehandelte Feuerpause gelte. Der HNC-Vorsitzende Riad Hidschab führte in dem Brief aus, durch die Verstöße seien 29 Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt worden. Unter derartigen Umständen sei eine Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen "unmöglich".

HNC-Sprecher Salem al-Meslet gestand jedoch ein, dass sich die Lage in Syrien durch die Feuerpause deutlich entspannt habe. "Wir haben hier und da Verstöße, aber im Allgemeinen ist es viel besser als vorher und die Menschen fühlen sich wohl", sagte er.

Insgesamt 97 Rebellengruppen beteiligen sich an der auf zunächst zwei Wochen angelegten Waffenruhe, die in der Nacht zum Samstag in Kraft getreten war. Sie soll den Weg für neue Gespräche der Syrien-Kontaktgruppe ebnen, in der neben den USA und Russland auch Vertreter zahlreicher regionaler Mächte wie dem Iran und Saudi-Arabien vertreten sind. Die Verhandlungen könnten am 7. März wieder aufgenommen werden, wenn die Waffenruhe hält.

Aus der Türkei eingedrungen

Das russische Zentrum für die Versöhnung der Konfliktparteien, das die Einhaltung der Feuerpause überwacht, erklärte, die Waffenruhe sei in den vergangenen 24 Stunden neun Mal von gemäßigten Rebellen, der Türkei und Dschihadisten verletzt worden. Russland, das seit Ende September Angriffe zur Unterstützung der syrischen Regierung fliegt, hatte am Samstag verkündet, alle Luftangriffe für einen Tag auszusetzen, um die Waffenruhe zu unterstützen.

Das russische Zentrum kritisierte, dass eine Gruppe von hundert Kämpfern aus der Türkei nach Syrien eingedrungen sei und die Stadt Tal Abjad angegriffen habe. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte hatte zuvor erklärt, Kämpfer der Syrischen Demokratischen Kräfte hätten einen IS-Angriff auf Tal Abjad zurückgeschlagen.

Syrien Fußgänger in den Trümmern der Stadt Al-Shadadi im Osten des Landes (Foto: Reuters)
Frauen in den Trümmern der Stadt Al-Shadadi im Osten des LandesBild: Reuters/R. Said

Laut den nur schwer überprüfbaren Informationen der oppositionsnahen Organisation vertrieben die Syrischen Demokratischen Kräfte, die aus arabischen und kurdischen Milizen bestehen, die Dschihadisten mit Hilfe von Kampfflugzeugen der US-geführten Militärkoalition.

Die Beobachtungsstelle meldete zudem, syrische oder russische Kampfflugzeuge hätten mehrere Ortschaften in den Provinzen Hama und Aleppo bombardiert. Demnach ist nur eines der bombardierten Dörfer direkt von der Al-Nusra-Front besetzt.

Rückschläge "unvermeidbar"

Saudi-Arabiens Außenminister Adel al-Dschubeir warf Russland vor, es habe die "moderate Opposition" unter dem Vorwand angegriffen, dass es sich um die Al-Nusra-Front oder den IS handele. Ein Vertreter der US-Regierung forderte, der Waffenruhe eine Chance zu geben. Rückschläge seien aber "unvermeidbar".

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier zeigte sich vorsichtig optimistisch: "Mit jeder Stunde, die die Waffenruhe hält, steigt für Millionen Syrer nicht nur im Land selbst, sondern auch für jene, die weltweit vor Krieg und Terror geflohen sind, die Hoffnung auf Frieden in Syrien", sagte er der "Welt am Sonntag". Jetzt müssten Hilfsorganisationen Zugang zu den Menschen erhalten, um Lebensmittel zu liefern und medizinische Hilfe zu leisten.

In dem Bürgerkrieg sind Schätzungen zufolge bislang rund 250.000 Menschen getötet worden. Millionen sind in Nachbarländer wie die Türkei geflohen oder sind von dort weiter über die Balkanroute in Richtung Deutschland gereist.

stu/haz (afp, dpa, rtr)