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Wahl im Schatten des Terrors

Michael Knigge14. März 2004

Bis zu den Anschlägen in Madrid schien alles entschieden: Nach Meinungsfragen deutete alles auf einen Triumph der regierenden Volkspartei PP bei der spanischen Parlamentswahl. Jetzt fällt eine Prognose schwer.

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Massenprotest gegen TerrorBild: AP

Eigentlich galt die Wahl schon als gelaufen: Mariano Rajoy (Bild) würde nach einhelligen Umfragen der Meinungsforscher die Parlamentswahl am 15. März gewinnen und seinen Freund und Förderer José Maria Aznar als spanischer Ministerpräsident ablösen. Einzig die Frage, ob der 48-Jährige mit absoluter Mehrheit oder eher knapp gewählt würde, schien noch unbeantwortet.

Mariano Rajoy
Der Favorit: Mariano Rajoy von der konservativen Volkspartei (PP)Bild: AP

Doch nach den beispiellosen Anschlägen mit fast 200 Toten und weit mehr als 1000 Verletzten gilt der Wahlausgang zwar nicht als völlig offen, aber doch als schwer prognostizierbar. "Die Auswirkungen der Attentate auf die Wahl und die Reaktionen der Bevölkerung ist kaum einzuschätzen", sagte ein deutscher Spanien-Experte in Madrid, der ungenannt bleiben wollte, im Gespräch mit DW-WORLD. Die Wahlentscheidung der Spanier hänge auch von den weiteren Ermittlungen der spanischen Behörden ab.

ETA oder El Kaida

Diese Einschätzung teilt José Comas, Deutschland-Korrespondent der größten spanischen Tageszeitung "El Pais": "Sollte sich herausstellen, dass es die ETA war, dann wäre das günstig für die PP, denn sie hat die ETA in den letzten Jahren sehr hart bekämpft. Wenn sich allerdings herausstellt, dass El Kaida hinter den Anschlägen steckt - was ich nicht glaube - dann würden die Sozialisten davon profitieren, weil sie die Irak-Politik der Regierung abgelehnt hatten", sagte Comas im Interview mit DW-WORLD. Normalerweise stellten sich in Krisenzeiten die Menschen jedoch hinter die jeweilige Regierung, wovon in diesem Falle die PP profitieren würde.

Zapatero
Streicheleinheiten für den Außenseiter: José Luis Rodríguez Zapatero (43) von der sozialistischen PSOEBild: AP

Im Wahlkampf spielte der Terrorismus keine große Rolle, da es zwischen der konservativen Volkspartei PP und den oppositionellen Sozialisten von PSOE-Chef José Luis Rodríguez Zapatero (Bild) einen parteiübergreifenden Pakt zur Terrorbekämpfung gab. Dennoch ist das Thema in Spanien ohnehin allgegenwärtig. "Die Spanier leben schon seit Jahren mit dem Terrorismus, wie die Menschen in Deutschland sich das gar nicht vorstellen können", erläutert der Spanien-Experte. Allerdings habe man sich durch die jüngsten Erfolge der Regierung Aznar im Kampf gegen die ETA wieder etwas mehr in Sicherheit gewogen - fälschlicherweise wie sich jetzt herausstellte.

Wohnungsmangel und Wirtschaftswachstum

Im Wettbewerb um Stimmen versuchten die spanischen Parteien mit anderen Argumenten zu punkten. "Die Sozialisten haben die Wohnungsknappheit im Land und die Kriminalität thematisiert", erläutert El Pais-Korrespondent Comas. Außerdem haben sie die Verschlechterung der staatlichen Dienstleistungen wegen des Sparkurses der Regierung angeprangert." Für die PP war dagegen die gute wirtschaftliche Situation Spaniens das Hauptwahlkampf-Thema. Die Arbeitslosigkeit in Spanien ist in der achtjährigen Amtszeit der Regierung Aznar von mehr als 15 auf inzwischen unter zehn Prozent gesunken, die Wirtschaft wächst.

Experten sehen dies als wichtigsten Grund für die hohen Umfrage-Werte für die Regierung. Aber auch mit emotionalen Aspekten versuchte die PP die Bürger für sich zu gewinnen, erläutert Comas: "Die Regierung hat zudem mit dem Slogan Einheit für Spanien auf die Entrüstung der Menschen reagiert, nachdem ein katalanischer Politiker der Sozialisten für seine Region einen Anschlagsstopp mit der ETA aushandeln wollte."

Wenn die Anschlagsserie und die Ermittlungen nicht doch noch einen radikalen Meinungswandel der spanischen Wähler bewirken, dann wird Mariano Rajoy künftig die Regierungsgeschäfte führen. "El Pais"-Korrespondent Comas beschreibt den international bislang eher unbekannten Rajoy als einen ruhigen Menschen, der die die Bürger im Gegensatz zu seinem Vorgänger Aznar, nicht polarisiert. Aznar selbst werde nach seinem Abgang keine wichtige Rolle in der spanischen Politik mehr spielen - auch nicht hinter den Kulissen. "Ohne sein Amt hat er auch keine Macht mehr", betont Comas und ergänzt: "Er hat früh angekündigt nach acht Jahren abzutreten und jetzt hält er einfach Wort".