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Hessen ohne Sieger

27. Januar 2008

Schlappe für Koch: Seine CDU stürzt ab und liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der SPD - und die Linke könnte den Sprung in den hessischen Landtag schaffen. Niedersachsen dagegen (siehe Link) bleibt schwarz-gelb.

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Andrea Ypsilanti , Quelle: AP
Die SPD-Kandidatin Andrea Ypsilanti ist die große Gewinnerin der Hessen-WahlBild: picture-alliance/ dpa
Mit seinem polarisierenden Wahlkampf erlitt Roland Koch eine herbe Niederlage Quelle: dpa
Mit seinem polarisierenden Wahlkampf erlitt Roland Koch eine herbe NiederlageBild: picture-alliance/ dpa

Schwere Niederlage für die CDU und Ministerpräsident Roland Koch, aber womöglich keine klare Regierungsmehrheit: Bei der Landtagswahl in Hessen ist die SPD am Sonntag (27.01.2008) überraschend stärkste Partei geworden. Die Union musste nach einem von Koch auf das Thema Jugendkriminalität zugespitzten Wahlkampf die schwersten Verluste seit 30 Jahren einstecken. Gleichwohl zeichnete sich keine Regierungskoalition ab. Vieles hing am Abend vom Abschneiden der Linken ab, die laut Hochrechnungen mit genau 5 Prozent doch ganz knapp den Sprung in den Landtag geschafft haben könnte.

"Die Sozialdemokratie ist wieder da"

SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti erklärte sich am Wahlabend zur Siegerin. Koch räumte einen "bitteren Rückschlag" ein, gab sich jedoch noch nicht geschlagen. Erst müsse man das vorläufige amtliche Endergebnis abwarten. Die CDU stürzte laut Hochrechnungen von ARD und ZDF auf 36,5 bis 36,6 Prozent (2003: 48,8), die SPD legte auf 36,9 bis 37,2 Prozent (29,1) zu. Die Grünen kamen mit 7,4 bis 7,5 Prozent (10,1) auf ein einstelliges Ergebnis, die FDP erreichte 9,3 bis 9,4 Prozent (7,9). Die Linke lag bei 5 Prozent. Die CDU kam auf 42 Sitze, die SPD auf 42 bis 43, die Grünen auf 8 bis 9, die FDP auf 11 Mandate und die Linke 6.

Das hessische Landtagsgebäude in Wiesbaden, Quelle: AP
Das hessische Landtagsgebäude in WiesbadenBild: AP

Ypsilanti wertete den Überraschungssieg ihrer Partei als Comeback der Sozialdemokratie alter Prägung. "Wir haben für eine andere politische Kultur in diesem Land gekämpft - und wir haben gewonnen", sagte sie eine Stunde nach Schließung der Wahllokale am Sonntag vor jubelnden Anhängern im Wiesbadener Landtag. "Die Sozialdemokratie ist wieder da!", rief Ypsilanti aus. Es habe sich gezeigt, dass mit einer Politik für mehr soziale Gerechtigkeit, Mindestlöhnen, bessere Bildungschancen und Umweltschutz Wahlen gewonnen werden könnten. "Und das gilt auch für die Bundesebene."

Koch schließt große Koalition aus

Willi van Ooyen, Spitzenkandidat der Linken, Quelle: dpa
Willi van Ooyen, Spitzenkandidat der LinkenBild: picture-alliance/ dpa

Koch schloss eine große Koalition mit der SPD im Wiesbadener Landtag zum derzeitigen Zeitpunkt aus. Die programmatischen Unterschiede zwischen beiden Parteien etwa in der Bildungspolitik machten eine solche Frage "im Augenblick eher unmöglich", sagte Koch am Sonntagabend im HR-Fernsehen. Die Linke erklärte unterdessen ihre Bereitschaft, bei einem Einzug in den Landtag die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin zu wählen. "Wir haben im Grunde genommen aus eigener Kraft diese fünf Prozent geschafft", sagte van Ooyen.

Kochs Taktik, im Wahlkampf mit dem Hardliner-Thema Jugendkriminalität zu punkten, ist nicht aufgegangen. Nach den fast erdrutschartigen Verlusten hatte der polarisierende Landesvater am Wahlabend die Ursache für das Debakel schnell ausgemacht: Um den Angriffen von "drei Linksparteien" zu widerstehen, sei die Mobilisierung der Unionsanhänger nicht groß genug gewesen.

"Bösewicht-Image"

Koch und Ypsilanti beim Fernsehduell vor der Wahl, Quelle: AP
Koch und Ypsilanti beim Fernsehduell vor der WahlBild: AP

Vor acht Jahren hatte er zum ersten Mal die hessische Landtagswahl gewonnen - damals punktete er mit einer umstrittenen Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, die ihm noch heute viele politische Gegner übel nehmen. Der größte politische Erfolg war die Wahl im Jahr 2003, als die CDU die absolute Mehrheit in Hessen holte. Doch von der Sensation des Jahres 2003 blieb zum Schluss kaum was übrig: Nach mageren Umfragewerten Ende 2007 setzte er auf das Thema Jugendkriminalität und beherrschte fortan die Schlagzeilen.

Doch er musste sich quer durch die Republik den Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit anhören. Er nehme billigend die Spaltung der Gesellschaft in Kauf, warf ihm etwa Ypsilanti vor. Mit der umstrittenen Kampagne habe Koch wieder sein "Bösewicht-Image" transportiert, analysierte Forsa-Chef Manfred Güllner am Sonntag. "Dadurch ist in Hessen eine Anti-Koch-Stimmung entstanden, die auch die ausgefranste SPD wieder ein Stück zusammengeführt hat. Dies war keine Pro-Ypsilanti-Wahl, sondern eine Anti-Koch-Wahl."

Wahlkampfthema wurde Eigentor

Schließlich musste sich Roland Koch eigene Versäumnisse gerade bei der Kriminalitätsbekämpfung im eigenen Land vorhalten lassen. Die Verfahren gegen junge Straftäter dauern in Hessen im Durchschnitt länger als in den meisten anderen Bundesländern. So schien Kochs Kampagne fast zum Eigentor zu werden.

So offensiv wie noch Anfang des Jahres setzte der CDU-Landesvorsitzende dann im Wahlkampfschlussspurt nicht mehr auf dieses Thema, vielmehr baute er mehr auf sein Macher-Image. Er kritisierte die SPD-Wahlversprechen als zu teuer, versprach Arbeitsplätze und warnte mit Blick auf das von ihm als "Rotfront" an die Wand gemalten Linksbündnis davor, dass bei der Wahl über die Stabilität Hessens entschieden werde. Doch für einen Wahlerfolg hat das alles nicht gereicht. (stu)

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