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Wahlen in Russland 2024: Wozu der Aufwand?

Sergey Satanovskiy
15. März 2024

Putin wird die Wahlen in diesem Jahr zweifellos gewinnen. Den Aufwand, sie überhaupt durchzuführen, könnte er sich also eigentlich sparen. Doch es ist ihm wichtig, die Illusion einer Demokratie aufrechtzuerhalten.

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Ein Mann gibt seine Stimme ab in einem Wahllokal in Krasnodar
Die Präsidentschaftswahl in Russland dauert drei Tage lang Bild: Vitaly Timkiv/Sputnik/IMAGO

Immer wieder wird behauptet, Russland sei eine Diktatur, doch zwischen dem 15. und  17. März finden Präsidentschaftswahlen statt. Wie das Ergebnis aussehen wird, ist vielen schon seit Wochen klar: Wladimir Putin, der das Land in den vergangenen 25 Jahren regiert hat, wird ein fünftes Mal gewinnen. Und bliebe damit bis 2030 im Kreml.

Der einzige Kandidat, der tatsächlich der Opposition zugerechnet werden kann, ist der liberale Politiker Boris Nadeschdin. Von russischen Gerichten, auch dem Obersten Gerichtshof, wurde er jedoch von der Wahl ausgeschlossen.

Ein weiterer Kandidat ist der 75-jährige Nikolai Charitonow, Abgeordneter der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation. Der Kandidat dieser Partei landet gewöhnlich weit abgeschlagen auf dem zweiten Platz. Charitonow hat sich kritisch zu einigen innenpolitischen Maßnahmen Putins geäußert, unterstützt jedoch Russlands Einmarsch in die Ukraine.

Russland: Aus für Putin-Herausforderer Boris Nadeschdin

Ebenfalls zur Wahl steht Wladislaw Dawankow. Mit vierzig ist er einer der jüngsten Kandidaten und gibt sich liberaler in Bezug auf die Einschränkung individueller Freiheiten in Russland. Doch er hat schon geäußert, dass er seine politischen Gegner nicht kritisieren wird.

Die Nachrichtenagentur Reuters geht davon aus, dass sowohl Charitonow als auch Dawankow jeweils vier bis fünf Prozent der Stimmen gewinnen werden.

Eine einheitliche Front

Auch wenn alle Russlandbeobachter darin übereinstimmen, dass Putin diese Wahlen gewinnen wird, erfüllen sie doch einen Zweck. Sie sollen helfen, den internen und externen Herausforderungen, denen Putins Regime ausgesetzt ist, zu begegnen, meint der politische Berater Konstantin Kalachev, der früher auch den Kreml beriet.

Im Land selbst legitimierten die Wahlen die Macht des Präsidenten und zeigten, dass das russische Volk vereint hinter seinem Führer stehe, sagt Kalachev zur DW. "Außerhalb des Landes zeigen sie, dass Putin mit seiner [Außen-] Politik den Forderungen des Volkes folgt", führt er weiter aus. "Sie machen deutlich, dass sich der russische Präsident und die Mehrheit des Volkes einig sind und setzen allen Illusionen im Westen ein Ende."

Frau mit Wahlurne, Soldat, auf einer Straße in Donezk
Auch in der russisch besetzten Ostukraine wird gewähltBild: Dmitry Yagodkin/TASS/dpa/picture alliance

Es ist nicht einfach, in einem Land, in dem für die meisten das Ergebnis bereits feststeht, die Menschen davon zu überzeugen, zur Wahl zu gehen. Doch wie das unabhängige Nachrichtenportal Meduza, das von Lettland aus berichtet, Anfang dieses Monats schrieb, bemühen sich die russischen Behörden, diese Präsidentschaftswahlen so legitim wie möglich aussehen zu lassen.

Ziel ist eine Wahlbeteiligung von 80 Prozent. Zu diesem Zweck werden laut Meduza die Wahlberechtigten mobilisiert, die von der Regierung abhängig sind: "Angestellte des öffentlichen Dienstes, Angestellte staatlicher Unternehmen und großer Unternehmen, die der Regierung treu ergeben sind, sowie deren Verwandte und Freunde."

Mitglieder von Putins Partei "Einiges Russland" werden aufgefordert, mit mindestens zehn weiteren Wählern in den Wahllokalen zu erscheinen, berichtet das Nachrichtenportal unter Berufung auf der Partei nahestehende Kontakte. Dank elektronischer Stimmabgabe oder Digitalcodes, die einzelnen Wahlberechtigten zugeordnet sind, können Vertreter der Regierung und der Partei genau sehen, wer seine Stimme abgegeben hat.

In seiner Rede zur Lage der Nation vor der Föderalen Versammlung Ende Februar stellte Putin den Bürgern und Bürgerinnen Russlands auch einige soziale Verbesserungen in Aussicht und bekräftigte seine Entschlossenheit, die sogenannte "militärische Spezialoperation" in der Ukraine fortzusetzen.

Sichtbare Risse

Obwohl der einzige echte Gegenkandidat zu Putin, Nadeschdin, von der Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen wurde, besteht doch die Möglichkeit, mit der Stimmabgabe zu protestieren.

Die meisten russischen Oppositionspolitiker sind aus dem Land geflohen, doch sie fordern ihre Anhänger auf, während der Wahlen aktiv zu werden. Die Witwe des kürzlich verstorbenen Oppositionsführers Alexej Nawalny rief Unterstützer dazu auf am Sonntagmittag, dem 17. März, in Massen zu den Wahllokalen zu kommen, um ihres verstorbenen Mannes zu gedenken.

Julia Nawalnaja - Nawalnys Witwe fordert Putin heraus

"Ihr könnt den Wahlzettel ungültig machen, ihr könnt in großen Buchstaben 'Nawalny' darauf schreiben", sagt Julia Nawalnaja in einem Youtube-Video. "Auch wenn ihr keinen Sinn darin seht, zu wählen, könnt ihr euch vor das Wahllokal stellen und euch dann umdrehen und nachhause gehen", schlägt sie vor und rät, "jeden außer Putin" zu wählen.

Große Menschenmengen, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt vor den Wahllokalen versammeln, werden zwar am Endergebnis nichts ändern, sagt Nikolaj Petrow von der Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien der Stiftung Wissenschaft und Politik, doch sie könnten das Bild einer überwältigenden Unterstützung für Putin stören.

Putin werde das vermutlich irritieren, meint er: "Es wäre ein Fehler, zu glauben, dass es für autoritäre Regime einfacher ist, Wahlen durchzuführen, als für Demokratien. Für Putin ist es wichtig, seinen politischen Eliten zu zeigen, dass er von der überwiegenden Mehrheit der Russen unterstützt wird. Darum möchte der Kreml ausgesprochen gute Ergebnisse vorweisen und Skandale vermeiden."

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.