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Kuomintang auf Siegeskurs

Zhang Danhong12. Januar 2008

Harter Kampf um ein halbiertes Parlament: In Taiwan buhlen bei der Parlamentswahl zehn Parteien um verbliebene 113 Parlamentssitze. Nach den ersten Ergebnissen liegt die Oppositionspartei Kuomintang deutlich vorn.

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Taiwans Präsident Chen Shuibian gibt seine Stimme ab (Quelle: AP)
Für die Partei von Taiwans Präsident Chen Shuibian sieht es nicht gut ausBild: AP

Tumulte im Parlament, vom Fernsehen live übertragen: Mehrfach mussten in der Wahlkampfzeit Abstimmungsverfahren unterbrochen werden, weil Abgeordnete buchstäblich aufeinander losgingen. Auch wenn solche Szenen, die Staunen und Schmunzeln auslösen, um die Welt gehen, bleibt der Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition doch in der Regel auf verbaler Ebene.

Selten war der Ton so rau wie in der Zeit vor dieser Parlamentswahl am Samstag (12.1.2008), die zudem überlagert wurde vom Wahlkampf für die Präsidentschaftswahl Ende März. Grund dafür ist nicht zuletzt die Reduzierung der Parlamentssitze um fast die Hälfte. Seit knapp acht Jahren regiert Präsident Chen Shuibian gegen eine Kuomintang-Mehrheit im Parlament. Die ersten Auszählungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Oppositionspartei Kuomintang diese Mehrheit sogar ausbauen konnte.

Dennoch verwundert die Härte der Auseinandersetzungen, schließlich setzen die regierende Demokratische Fortschrittspartei DPP und die oppositionelle Kuomintang auf völlig unterschiedliche Themen, erläutert Zhu Xianlong, Politikwissenschaftler aus Macau: "Die Opposition stellt die Wirtschaft in den Vordergrund. Taiwans Wirtschaft verliert unter der jetzigen Regierung zunehmend an Dynamik." Jahre lang Nummer Eins unter den asiatischen Tigerstaaten, hinke Taiwan heute den anderen Tigern hinterher.

Korruption und umstrittene Parteikassen

Zudem bestimme das Thema Korruption den Wahlkampf der Opposition. "Angefangen in der Präsidentenfamilie wird die Regierungspartei mit vielen Korruptionsvorwürfen konfrontiert." Die Regierungspartei setze dagegen wie immer auf politische Themen wie die Unabhängigkeit von der Volksrepublik China und die Identität Taiwans. Doch auch sie habe noch ein anderes Wahlkampfthema entdeckt: das Parteivermögen von Kuomintang.

Wahlkampf in Taipei (9.1.2008, Quelle: AP)
Wahlkampf in TaipeiBild: AP

Anhänger der nationalistischen Partei Kuomintang flohen 1949 nach der Niederlage im Bürgerkrieg gegen die Kommunisten vom chinesischen Festland nach Taiwan und regierte die Insel ein halbes Jahrhundert lang, die meiste Zeit davon mit eiserner Hand. In vielerlei Hinsicht unterschied sie sich wenig von der Kommunistischen Partei Chinas. Staatsvermögen glich Parteivermögen.

38 Jahre Kriegsrecht – ohne Krieg

Erst 1987 hob die Kuomintang nach 38 Jahren das Kriegsrecht auf und führte die Inselrepublik auf den Weg der Demokratie. 2000 verlor Kuomintang die Macht an die aus der Bürgerrechtsbewegung hervorgegangene Demokratische Fortschrittspartei. Das teilweise illegal angehäufte Parteivermögen behielt sie aber bei. Durch ein Referendum, das an die Wahl der Legislative gekoppelt ist, soll das Volk entscheiden, ob das Parteivermögen von Kuomintang dem Volk zurückgegeben werden soll. Dies ist ein zweifelhafter Versuch der Regierung, mehr Bürger zur Wahl zu treiben und den politischen Gegner zu schwächen, sagen Kritiker. Tatsächlich könnte das Stimmungstief für die Regierung der Kuomintang einen Erdrutschsieg bei der Wahl bescheren.

Nach Meinung von Hermann Halbeisen, Taiwan-Experte an der Universität Köln, ist die Bevölkerung auf Taiwan polarisiert: Während ein Teil der Bevölkerung die Identität Taiwans als wichtigstes Thema ansehe, kümmere sich der andere Teil eher um pragmatische Aspekte. "Und dann tauchen auch Fragen des Lebensstandards auf: Gerade die unteren Einkommensschichten in Taiwan, vor allem im Süden der Insel, sind wirtschaftlich im Moment nicht sonderlich gut gestellt und das prägt die Stimmung eher in eine negative Richtung."

Das China-Thema als Ablenkungsmanöver

Kuomintang-Spitzenkandidat John Chiang im Wahlkampf (10.1.2008, Quelle: AP)
Grund zum Jubel: Spitzenkandidat John Chiang (Mitte) kann auf den Sieg seiner Partei Kuomintang hoffenBild: AP

Die amerikanische Finanzkrise und die Eintrübung der Weltkonjunktur könnten der export- und US-abhängigen Wirtschaft auf Taiwan weitere Sorgen bereiten. Auch um davon abzulenken, setzt die Regierung weiter auf Polarisierung und hofft klammheimlich auf Schützenhilfe aus Peking.

Das Unabhängigkeitsstreben der DPP ist der chinesischen Regierung seit langem ein Dorn im Auge. Aber Drohungen, die aus Pekinger Sicht abtrünnige Provinz notfalls mit Gewalt zurückzuholen, haben der DPP noch mehr Zuspruch in der Bevölkerung verschafft, sagt Zhu Xianlong aus Macao: "Vor 2004 hat das Festland jede Handlung von der DPP scharf kritisiert." Dann habe Peking jedoch festgestellt, dass die DPP immer stärker gewann, je stärker die Kritik an ihr ausgefallen war. "Diesmal verhält sich Peking vor den Wahlen zurückhaltend und abwartend - in dieser Hinsicht ist die chinesische Regierung reifer geworden."