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Wahlfarce in Usbekistan

13. Januar 2005

Zwei Wochen nach der Parlamentswahl haben in Usbekistan Stichwahlen stattgefunden. Doch der Ausgang dieses Urnengangs war von Anfang an klar. Gewinnen konnten nur regimefreundliche Parteien. Vladimir Müller kommentiert.

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Das einzig Neue nach der Wahl, die die meisten im Lande nicht interessierte, ist die zweite Parlamentskammer. In den Hallen des neu errichteten Repräsentativbaus mitten im Taschkenter Regierungsviertel sollen bald 100 Senatoren die Belange der 14 Regionen Usbekistans vertreten. Doch so wie die 120 Abgeordneten des gesetzgebenden Unterhauses sind auch die Senatoren keine Repräsentanten ihres Volkes. Denn mit Pluralismus hatte diese Wahl nichts zu tun. Nur fünf regimetreue Parteien durften antreten. Den drei Oppositionsparteien wurde eine Registrierung verweigert.

Keine europäischen Standards

Entsprechende Einwände der OSZE ließ Staatspräsident Islam Karimow nicht gelten. Europa habe nicht das exklusive Recht, Wahlen zu bewerten, beeilte sich der 66jährige zu erklären. Eine andere Wahlbeobachtergruppe - die der GUS-Länder - habe doch feststellen können, dass die Wahl in Usbekistan "rechtmäßig, frei und transparent" gewesen sei. Nur: die Kriterien der von Russland angeführten ehemaligen Sowjetrepubliken entsprechen nicht gerade den europäischen Standards.

Um die kümmert sich Karimow, der seit 15 Jahren das zentralasiatische Land mit 25 Millionen Einwohnern nach Gutsherrenart regiert, ohnehin nicht. Seine Aufrufe, sich die EU als Vorbild zu nehmen, wie im Sommer auf einer Konferenz der zentralasiatischen Staaten, bleiben Lippenbekenntnisse. An einer Demokratisierung ist der Patriarch Karimow nicht interessiert. Die ersten Demokratieversuche nach der Gründung des unabhängigen Usbekistan 1991 ließ er schnell ersticken, seine Widersacher mussten das Land verlassen oder wurden eingesperrt. Bürgerliche Freiheiten gibt es in Usbekistan nicht.

Karimov: Vorteil durch Kampf gegen Terror

Als hilfreich für Karimows Polizeistaat erwies sich die Ausrufung des weltweiten Kriegs gegen den islamistischen Terrorismus durch die USA. Durch Bereitstellung von Militärbasen für die US-Armee und ihre Verbündeten wähnte sich Karimow gefeit vor Angriffen ausländischer Kritik wegen Menschenrechtsverletzungen. Unter dem Vorwurf des religiösen Extremismus ließ er Tausende Menschen einsperren. Die tatsächliche Radikalisierung der ansonsten ruhigen und nicht zum Fanatismus neigenden usbekischen Muslime hat der Präsident aber selbst zu verantworten - nur innerhalb der staatlich kontrollierten Moscheen ließ er sie ihren Glauben praktizieren.

Mittlerweile wurde Usbekistan die US-Wirtschaftshilfe gekürzt, Karimow aber findet in Russlands Präsident Wladimir Putin einen alt-neuen Verbündeten. Dieser fragt nicht nach Menschenrechten noch nach Demokratiedefiziten, nur Wirtschaftsinteressen zählen.

Diese haben aber auch die Bürger Usbekistans. Im tagtäglichen Kampf ums Überleben mitten in einer heruntergekommenen Wirtschaft merken sie allmählich, wie die Aussicht auf ein besseres Leben für sie immer unerreichbarer wird. Der Präsident des durch Korruption zerfressenen Staates behauptet, die europäischen Schlussfolgerungen aus der Wahl seien für ihn nicht wichtig. Schließlich liege Usbekistan nicht in Europa, sondern in Zentralasien. Er könnte eines besseren belehrt werden: Es war schließlich die Missachtung europäischer Demokratie-Prinzipien, die in den Ex-Sowjetrepubliken Georgien und Ukraine zu gesellschaftlichen Umwälzungen führte. Es bleibt abzuwarten, ob eine solche Welle auch das weiter entfernte Zentralasien erreichen wird.

Vladimir Müller, DW-RADIO, 10.1.2005