Wahlkämpfer unter sich
4. Februar 2002Erhabenheit des Amtes als Kalkül
Derweil beäugen sie argwöhnisch jeden Schritt des Rivalen, tauschen diplomatische Höflichkeiten aus und üben sich in der Kunst des Schattenboxens. Von dem 69-jährigen Neogaullisten Chirac heißt es, er wolle in jedem Fall einen kurzen Wahlkampf, so wie ihn sein Vorgänger und einstiger Rivale François Mitterrand 1988 erfolgreich führte. Der Regierungschef, der damals vergeblich gegen Mitterrand in den Ring stieg, hieß Chirac; ungut sind ihm noch heute die Demütigungen in Erinnerung, die ihm Mitterrand als Ranghöchster der diplomatischen Hackordnung zufügte. Chirac legt es nun darauf an, in ähnlicher Manier die Erhabenheit seines Präsidentenamtes wirken zu lassen - je später er in die Niederungen des Wahlkampfes hinabsteigt, desto besser. Anvisiert ist Anfang März, auf jeden Fall nach Jospin.
Puste für die Zielgerade
Der 64-jährige Sozialist Jospin seinerseits will sich den Franzosen so lange wie möglich als arbeitsamer und verantwortungsbewusster Regierungschef präsentieren. Bisher ließ er sich lediglich ein "wahrscheinlich" entlocken, was die Frage seiner Kandidatur angeht. Er will das Rennen Ende Februar eröffnen, also erst, wenn das Parlament wegen der Wahlen seine Sitzungsperiode beendet. Womöglich denkt Jospin dabei aber auch an den Fall Edouard Balladur. Der zog 1995 mit besten Umfragewerten und ziemlich zeitig in den Präsidentschaftswahlkampf, doch ging ihm auf der Zielgeraden die Puste aus.
Derzeit sehen die Umfragen Chirac gegenüber Jospin leicht im Vorteil. Aber der sozialistische Premier hat aufgeholt und so scheint ein Kopf-an-Kopf-Rennen programmiert. Im ersten Wahlgang am 21. April haben die Franzosen allerdings noch zwischen zahlreichen Kandidaten die Auswahl, selbst die Favoriten erreichen dabei in der Regel nur Werte zwischen 20 und 30 Prozent. Für die Stichwahl am 5. Mai gilt es dann für die beiden Bestplatzierten, sich die Unterstützung und die Wähler der ausgeschiedenen Kandidaten zu sichern. (afp/wga)