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Politische Farbenlehre

Sebastian Schlegel2. August 2007

Die Außenansicht auf die USA hinterlässt häufig den Eindruck eines Landes, das immer nur zwei Wahlmöglichkeiten kennt: Ja oder Nein, Gut oder Böse, In oder Out. Natürlich kann das nicht stimmen.

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Bild: DW

In den USA ist nichtsdestoweniger vieles anders und dies erfuhr ich bereits wenige Tage nach meiner Ankunft in Washington. Eine Freundin führte mich in die Medienlandschaft der Hauptstadt ein: Sag mir welche Zeitung du kaufst und ich sag dir wen du wählst. Und so gerät man in die Fänge der Politik, bei der die amerikanischen Bürger - oberflächlich gesehen - ebenfalls nur zwei Wahlperspektiven haben: Rot oder Blau, sprich Republikaner oder Demokraten.

Egal in welche Zeitung man derzeit blickt, die Schlagzeilen sind die gleichen. Die Demokraten ringen um ihren Präsidentschaftskandidaten. Und spätestens hierbei bemerkt man, dass blau in diesem Fall eben doch nicht gleich blau ist.

Aktuell sind noch acht Politiker im Rennen, doch realistisch gesehen, spielt sich der Kampf um die Führung nur noch zwischen zwei Personen ab. Kontrahent Nummer 1: Barack Obama, Afroamerikaner, geboren 1961, seit 2005 Senator des Bundesstaats Illinois. Kontrahent Nummer 2: Hillary Clinton, geboren 1947, ehemalige First Lady und seit 2001 Senatorin des Bundesstaats New York.

"Weichgespülter Bush-Abklatsch"

Demonstrierte man bis vor kurzem noch Einigkeit und Königsblau, so zog man am Montag, 23. Juli, zum ersten Mal den Farbpinsel hervor. Eine öffentliche Diskussionsrunde, organisiert von CNN und dem Internetportal YouTube, fühlte den Kandidaten auf den Zahn. 40 Fragen stellten amerikanische Bürger via Videobotschaft und an einer schieden sich die Geister: Würden die Kandidaten ohne Vorbedingungen bereit sein, mit Staatsoberhäuptern aus den so genannten 'Schurkenstaaten’ zu verhandeln?

Obama antwortete: "Yes!“ - Clinton: "Well ... no!“. Und seither führen die beiden Topdemokraten ihre kontroverse Diskussion auf Zeitungs- und Fernsehebene fort: Clinton sieht sich in der Pflicht, das Prestige des Präsidentenamtes zu wahren und sich nicht für etwaige Propagandazwecke von schurkischen Staatsoberhäuptern missbrauchen zu lassen. Man könne nicht einfach so den US-Präsidenten treffen. Das müsse man sich verdienen, so die stählerne Lady.

Obama hält das Gespräch, auch mit Diktatoren, für die richtige Politik - genau dies versäume die derzeitige Regierung. Reden sei durchaus legitim, kontert Clinton, jedoch nicht gleich im ersten Jahr der Präsidentschaft. Dies sei "naiv und unverantwortlich“. Man brauche diesen "Wechsel“, meint Obama, und betitelt Clinton als "Bush-Cheney lite“, was etwa soviel heißt wie "weichgespülter Bush-Abklatsch“.

Hellblau, Rotblau - Königsblau?

Somit wären die Rollenprofile nun klar verteilt: Obama steht für Wechsel, will für neuen Wind im Weißen Haus sorgen, ist der junge Revolutionär - kurz sozialliberal. Clinton möchte Kontinuität bewahren und trotzdem anders regieren als Bush, steht für Tradition und gleichzeitig Modernisierung, ist die erfahrene Politikbühnenwandlerin - kurz konservativ. Man bedenke, beide treten für dieselbe Partei an! Somit zieht sich die Farbpalette der Demokraten nun von hellblau bis rotblau.

Das angestrebte Königsblau kann trotzdem noch erreicht werden. Zum einen, sobald die Wahlkampfrollenspiele vorüber sind; zum anderen, weil das Weiße Haus immerhin zwei vakante Positionen nächstes Jahr bietet: Präsident und Vizepräsident. Experten sehen nach wie vor Clinton vorn und eine Wählerumfrage von Mittwoch bestätigt dies - Hillary legt zu, Barack verliert. Aber das letzte Wort ist noch längst nicht gesprochen. Bis zur endgültigen Entscheidung im Frühjahr können noch viele Farbtöpfe angerührt werden.

Meine erste Lektion in Washington: Politik funktioniert ähnlich wie in Berlin, der ärgste Feind befindet sich immer in den eigenen Reihen. Trotzdem, ich kaufe jetzt vorsichtshalber immer zwei Zeitungen - auch wenn dasselbe abgedruckt wird.