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Wahlkampf in Kroatien: Personalisierung statt Inhalt

22. November 2007

Am kommenden Sonntag (25.11.) finden in Kroatien Parlamentswahlen statt. In den Umfragen liegen die beiden großen Parteien fast gleich auf. Der Wahlabend soll spannend werden, der Wahlkampf war es dagegen nicht.

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Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen HDZ und SDP erwartetBild: AP

Der Kampf um die Sitze im kroatischen Parlament, dem Sabor, zeichnet sich dieses Mal vor allem durch Scharmützel zwischen den politischen Gegnern aus. Es geht um das Wahlrecht der Diaspora-Kroaten, um Ideenklau bei Wahlkampfspots oder um Einmischung von prominenten Sportlern zugunsten der konservativen Regierungspartei HDZ. Dagegen wurde den Forderungen von Bürgern und politischen Analytikern, mehr über politische Programme zu informieren und der Kritik seitens der Europäischen Union an der Zagreber Regierung Rechnung zu tragen, kaum Beachtung geschenkt.

Wahlkampf "inhaltlich leer und stilistisch flach"

Zu dieser Einschätzung kommt ein Bericht der Nicht-Regierungsorganisation GONG, eine von Bürgern organisierte Wahlbeobachterorganisation, die die politischen Botschaften des Wahlkampfes verfolgt und analysiert hat. In dem Bericht heißt es, ökonomische Probleme hätten es nicht geschafft, sich an die Spitze der Liste mit den Wahlversprechen zu katapultieren. Die Wähler seien immer noch nicht über die Hauptaspekte der Parteiprogramme im Hinblick auf die wichtigsten Probleme der Gesellschaft informiert.

Professor Ivan Siber von der Fakultät für Politische Wissenschaften in Zagreb, der seit 1990 an Untersuchungen über das Wählerverhalten teilnimmt, wertet den aktuellen Wahlkampf so:

"Ich habe keinerlei neue Ideen gesehen, keinen Esprit, keine Wortspiele, keinerlei Botschaften, die auf irgendeine Weise die Aufmerksamkeit der Wähler hätten erwecken können. Was ich allerdings bemerkt habe, ist, dass sich der Wahlkampf zu großen Teilen in eine Konfrontation zwischen Premier Ivo Sanader und dem neuen Chef der Sozialdemokraten, Zoran Milanovic, verwandelt hat. Und diese Personalisierung des Wahlkampfs ist leider inhaltlich gesehen leer und vom Stil her flach. Und ich muss hinzufügen, dass das mehr oder weniger für beide streitenden Parteiführer gilt."

Keine Fortschritte bei Justizreform

Die Reform der Justiz und der Kampf gegen die Korruption sind in der kroatischen Gesellschaft Probleme von höchster Dinglichkeit – sowohl aus der Perspektive der Öffentlichkeit als auch in der Einschätzung der Europäischen Kommission. Im letzten Fortschrittsbericht der Europäischen Union zu Kroatien hat die EU genau diese Punkte kritisch hervorgehoben. Dennoch: Die HDZ-Politikerin Ana Lovrin liest aus dem Bericht ein Lob über die gemachten Fortschritte heraus: "Günstige Entwicklungen sind sichtbar, ein Fortschritt erkennbar, aber natürlich sind eine Reform des Justizwesens und der Kampf gegen die Korruption keine Reformen, die man über Nacht bewerkstelligen kann. Und das ist auch keinem anderen europäischen Land gelungen", so Frau Lovrin.

Pero Kovacevic von der rechtskonservativen Kroatischen Rechtspartei meint, seine Partei sei zu Lösungsansätzen für diese Probleme durch Gespräche mit den Bürgern gekommen, denn: "Sie sind unzufrieden mit den zahlreichen vor Gericht anhängigen Fälle, sie sind unzufrieden darüber, wie lange die Lösung dieser Fälle vor Gericht dauert. Ich habe mit Menschen gesprochen, die mir gesagt haben, dass sie seit zehn Jahren Arbeitsprozesse führen. Dass die Korruption nicht ein normales Phänomen einer Gesellschaft sei und dass man konkret anfangen müsse, etwas dagegen zu unternehmen."

Zeljko Sacic vom linksliberalen Wahlbündnis HSS-HSLS-PGS weist darauf hin, das es seit 1996, als Kroatien auf Empfehlung des Europarates die sogenannte Antikorruptionsbibel auf den Weg gebracht hatte, keine positive Entwicklung gegeben habe. Für den Sozialdemokraten Ivo Josipovic sind die Justizreform und die Korruptionsbekämpfung politische Probleme, die die jetzige Regierung nur oberflächlich angekratzt habe: "Es ist schlimm, dass bei uns Reformen, die die Justiz und den Kampf gegen die Korruption betreffen, hauptsächlich vorgetäuscht werden. Einige Gesetze sind sogar gut geschrieben. Das Programm gegen die Korruption könnte ein wenig anders aussehen, aber damit gibt es kein Problem. Das Problem liegt in der Umsetzung, nämlich darin, dass dieses allgemeine korrupte Bewusstsein, das in Kroatien herrscht, so wie es aussieht, leider noch nicht durchbrochen wurde."

Konkrete Themen nur bei kleineren Parteien

Dabei hatte die EU auch auf andere Kritikpunkte hingewiesen. Unzufrieden ist Brüssel auch mit der Lage der Flüchtlinge und der Vertriebenen sowie mit dem Umgang mit den nationalen Minderheiten. Im Wahlkampf wurden diese Personengruppen nicht einmal erwähnt, es sei denn in den Ausführungen der Kandidaten der serbischen Gemeinschaft. Die politischen Parteien haben offenbar den Schluss gezogen, dass dies kein Thema ist, mit dem man die Gunst der Wähler auf sich ziehen kann.

Die Wahlbeobachterorganisation GONG zeigt in ihrem Bericht über den Wahlkampf auf, dass sich die beiden großen Parteien SDP und HDZ auf Plakaten und in Zeitungsanzeigen nur auf die Frage des Wahlrechts der Auslandskroaten konzentriert haben. Von den kleineren Parteien habe nur das links-liberale Parteienbündnis aus HSS-HSLS-PGS einige konkrete Themen wie den Umweltschutz, Investitionen im ländlichen Raum oder die Dezentralisierung der Verwaltung auf die Tagesordnung gesetzt.

Professor Siber von der Zagreber Universität gibt den beiden Parteiführern, Ministerpräsident Ivo Sanader (HDZ) und Oppositionsführer Zoran Milanovic, für die letzten Wahlkampftage noch eine Empfehlung mit auf den Weg: "Ich meine, dass der eine wie der andere ein wenig mehr an die Bürger denken sollte, und dass sie mit ihren Auftritten, mit ihrem eigenen Beispiel eine andere Art Kultur zeigen sollten als die politische Kultur, die wir umgangssprachlich Balkan nennen."

Gordana Simonovic, DW-Kroatisch