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Wahlkampf ohne Wahlen

Sabine Kinkartz15. Juli 2005

21 Tage räumt das Grundgesetz dem Bundespräsidenten ein, um nach einem Misstrauensvotum über eine Auflösung des Bundestages und damit über Neuwahlen zu befinden. Keiner weiß, wie die Entscheidung ausfallen wird.

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Das Präsidialamt gleicht in dieser Frage der Sixtinischen Kapelle, nichts dringt nach außen. Wobei ja die Papstwahl wenigstens von Rauchzeichen begleitet wurde, doch selbst die fehlen in Berlin. Still liegt das Präsidialamt in der sommerlichen Hitze, nichts tut sich - doch halt, kürzlich wurde ein Dossier aus dem Kanzleramt abgegeben, um das der Bundespräsident gebeten hatte. Gerhard Schröder sollte darin noch einmal begründen, warum er meint, sich nicht mehr auf die Mehrheit des Bundestages stützen zu können. Wer aber nun meint, der Kanzler habe noch einmal einen kleinen Aufsatz zum Thema geschrieben, der irrt. Das Dossier, so ist zu hören, besteht aus ungefähr 200 Seiten thematisch geordneten und nicht weiter kommentierten Presseberichten, darunter auch zahlreiche Interviews mit Kritikern des Reformkurses. Als wenn das Präsidialamt nicht über ein sicherlich gut bestücktes Archiv täglich erstellter Pressespiegel verfügen würde.

Wenig Neues

Wenn man unterdessen die politischen Parteien anschaut, dann könnte man allerdings meinen, die Neuwahlen seien bereits beschlossene Sache. Da wird ein Wahlprogramm nach dem anderen vorgestellt und heftig diskutiert, da werden die demnächst potenziell Wahlberechtigten in Umfragen fast täglich zu ihren politischen Präferenzen befragt und vom bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber und seiner Frau Karin wissen wir bereits, dass sie über die Anmietung einer kleinen Wohnung in Berlin-Mitte nachdenken, sollte Stoiber Minister in einer unionsgeführten Regierung werden. Gleichzeitig beglücken die Bundesminister, wenn sie nicht gerade durch die Republik touren, mit Pressekonferenzen, auf denen zwar nichts Neues verkündet wird, dafür aber die "Errungenschaften" der zurückliegenden Jahre gepriesen werden.

Themenlose Pressekonferenz

Den Vogel schoss in der vergangenen Woche Bundesinnenminister Otto Schily ab. Kurzfristig, mit einem Vorlauf von vielleicht zwei Stunden wurde eine Pressekonferenz "zu aktuellen sicherheitspolitischen Fragen" anberaumt. Anruf im Ministerium: "Um welches Thema wird es genau gehen?" Antwort der Pressestelle: "Das kann ich ihnen nicht sagen, die Kollegin, die sich darum kümmert, ist schon außer Haus." Grosse Aufregung in den Redaktionen, schließlich liegen die Terroranschläge von London nur wenige Tage zurück und vielleicht gibt es brisante Neuigkeiten. Die Journalisten strömen zum Termin. Doch die so wichtig anmutende Pressekonferenz entpuppt sich einmal mehr als ein Rückblick auf die bisherige Regierungspolitik - allerdings vor deutlich mehr Publikum als sonst. Gelungener Trick. Der Wahlkampf hat begonnen, noch bevor Neuwahlen beschlossen und ausgerufen sind. Doch die Entscheidung naht. 21 Tage räumt das Grundgesetz dem Bundespräsidenten ein, wir können also davon ausgehen, dass wir schon bald wieder richtig viel zu berichten haben werden - so oder so.