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Wahlkampfopfer oder Versager?

André Moeller5. August 2002

Der Telekom-Aufsichtsrat sägt aller Wahrscheinlichkeit nach an Ron Sommers Stuhl: Es ist durchgesickert, dass Technikvorstand Gerd Tenzer sein Nachfolger werden soll.

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Auf Jobsuche: Ron SommerBild: AP

Im Personalgerangel um eine Ablösung von Telekom-Chef Ron Sommer hat der Aufsichtsrat am Samstag (13. Juli 2002) rege Telefondebatten geführt. Es werde die Sondersitzung am nächsten Dienstag vorbereitet, erfuhr die dpa aus dem Umfeld des 20-köpfigen Gremiums. Auf Nachfrage von DW-WORLD erklärte Pressesprecher Ulrich Lissek jedoch, es gebe keine Sitzung und auch keine Gespräche - er wisse von nichts.

Telekomchef Ron Sommer hat dem öffentlichen Druck nachgegeben und ist zurückgetreten. Er stand zuletzt immer stärker im Kreuzfeuer der Kritik. Der Grund: Ihm wird die Hauptschuld am Kurseinbruch der T-Aktie zugeschrieben. Die war von einst fast 105 Euro auf immer neue historische Tiefstände abgestürzt und bewegt sich nun um die 10 Euro-Marke.

Sommer wird von seinen Kritikern vorgeworfen, dass er durch ziellose und überteuerte Firmenzukäufe die Verschuldung des Unternehmens in die Höhe getrieben habe. Ein Beispiel dafür sei der Erwerb der US-Firma Voicestream. Auch beim Poker um die UMTS-Lizenzen hat sich das Unternehmen kräftig verschuldet.

Managergehälter machen Kleinaktionäre wütend

Der Telefonriese sieht sich zur Zeit mit einem gigantischen Schuldenberg von 67,2 Milliarden Euro konfrontiert. Als dann noch die Nachricht an die Öffentlichkeit drang, die Telekommanager hätten sich Gehaltserhöhungen um 90 Prozent genehmigt, brachte dies die Stimmung unter den Kleinaktionären zum Kochen.

Zugleich werben Analysten um Verständnis für den gescheiterten Telekommanager Sommer. "Auch andere Telekommunikationsunternehmen in Europa, wie zum Beispiel France Télécom kämpfen mit einer hohen Schuldenlast", erläutert Analystin Ilona Hasselbring von der Berenberg-Bank im Gespräch mit DW-WORLD. Im Vergleich mit anderen europäischen Telefonanbietern stehe die Deutsche Telekom gut da.

Keine grundlegenden Fehler

"Sommer hat keine grundlegenden Fehler gemacht", sagt Hasselberg weiter. Er habe die vorgegebene Strategie, die Deutsche Telekom als internationales Unternehmen aufzustellen, gut verfolgt. Dazu gehöre auch die Entscheidung, bei Voicestream einzusteigen, da die Telekommunikationsbranche in den USA ein Wachstumsmarkt mit Potenzial sei.

Auch aus den Reihen der Politiker hatte Sommer vor kurzem noch starke Rückendeckung erhalten. Finanzminister Eichel hob in einem Interview hervor, dass es um andere große Telekommunikationsunternehmen wesentlich schlechter stehe als um die Deutsche Telekom.

Damit hat der Finanzminister nicht unrecht. Seit der Skandalpleite des amerikanischen Energiegiganten Enron reißen die Hiobsbotschaften nicht mehr ab. Immer wieder sind auch Unternehmen der Medien- und Telekommunikationsbranche betroffen.

Rücktritt als Wahlkampfthema?

Trotzdem galt Sommers Rücktritt nach Ansicht von Experten schon seit längerem als beschlossene Sache. Ursprünglich wurde ein Abgang des Telekom-Vorstandschefs erst nach der Bundestagswahl im September erwartet. Seit jedoch Sommers Schicksal von der Bundesregierung als wahlkampfrelevantes Thema entdeckt wurde, gab es täglich neue Gerüchte über den Rücktrittszeitpunkt und mögliche Nachfolger des Telekommanagers.