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Wahlsieger drängen Obama zu Kursänderung

4. November 2010

Politische Beobachter sind sich sicher: Die Wahlniederlage für Obamas Demokraten bei der Kongresswahl wird Auswirkungen auf die US-Außenpolitik haben. Denn im Repräsentantenhaus haben nun die Republikaner das Sagen.

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Kapitol (Foto: dpa)
Im Kapitol herrschen künftig neue MachtverhältnisseBild: picture alliance/dpa

Die wichtigste außenpolitische Entscheidung, die direkt nach der Kongresswahl ansteht, ist die Ratifizierung des START-Vertrages. Das nukleare Abrüstungsabkommen mit Russland muss vom Senat ratifiziert werden. Doch schon vor dem Wahldebakel verfügten die Demokraten nicht über die nötigen 67 Stimmen in der Kongresskammer.

Geht Obama Kompromisse ein?

Stephen F. Szabo (Foto: Ashley Vonclausburg)
Stephen F. SzaboBild: Ashley Vonclausburg/German Marshall Fund

Jetzt wird es schwer werden, den START-Vertrag zu ratifizieren, meint Annette Heuser, Leiterin der Bertelsmannstiftung in Washington: "Es ist davon auszugehen, dass die Republikaner die Gelegenheit nutzen, den START-Vertrag als strategisches Instrument anzuwenden, um den Präsidenten auch in der Außenpolitik vorzuführen." Ziel der Republikaner sei es, "zu beweisen, dass US-Präsident Barack Obama viel zu schnell auf die Russen zugegangen ist."

Die Kritik der Republikaner, aber auch einiger Demokraten lautet: Der Vertrag wurde zu schnell verhandelt, er nimmt nicht genügend Rücksicht auf amerikanische Interessen wie die Raketenabwehr und die Möglichkeit, das eigene Atomarsenal zu modernisieren. Denkbar ist, dass sich Obama die Zustimmung der Republikaner zum START-Vertrag mit Kompromissen in anderen Politik-Bereichen erkaufen wird.

Punktsieg mit Afghanistan?

Annette Heuser (Foto: David Hills)
Annette HeuserBild: David Hills

Für seine Afghanistan-Politik dagegen ist der Präsident nicht auf die Zustimmung des Kongresses angewiesen. Wenn er beschließt, die Truppen wie geplant ab dem Sommer 2011 nach Hause zu holen, dann kann er das als Oberbefehlshaber der Armee tun. Möglicherweise kann Obama damit bei der Öffentlichkeit sogar Punkte sammeln, sagt Stephen F. Szabo, Leiter der Transatlantischen Akademie des German Marshall Funds in Washington DC. Schließlich seien "die Republikaner gegen einen frühen Rückzug aus Afghanistan. Sie werden dafür kämpfen und das Militär auf ihrer Seite haben." Obama hätte dann die Öffentlichkeit auf seiner Seite, denn die Amerikaner sind nach den jahrelangen Einsätzen im Irak und in Afghanistan kriegsmüde.

Um den Friedensprozess im Nahen Osten ist es auch ohne Obamas Niederlage bei den Wahlen nicht gut bestellt, erklärt Colin Dueck, Politikprofessor an der George Mason Universität in Fairfax, Virginia. Er ist Autor eines Buches über die Geschichte der republikanischen Außenpolitik. Präsident Obama habe versucht, den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu unter Druck zu setzen, allerdings erfolglos. Das Ergebnis sei eine Vertrauenskrise und Stillstand. "Die Ansicht der meisten Republikaner im Kongress in dieser Frage ist ziemlich einfach: Sie unterstützen Israel und betrachten das als Teil des Anti-Terrorkampfes", so Dueck. Obama wird also auch in dieser Frage mit den Republikanern uneins sein, allerdings ohne daraus politisches Kapital zu schlagen, sollte sich in der Region nicht von selbst etwas bewegen.

Einig sind sich die Experten, dass die versprochene Schließung des Gefangenenlagers in Guantanamo zwar von der US-Regierung weiter verfolgt werden wird, aber keinerlei Priorität mehr hat. Es ist in der amerikanischen Öffentlichkeit von der Agenda verschwunden und auch bei Demokraten umstritten.

Schlecht für´s Klima?

Auspuff (Foto: dpa)
Klimaschutz: Die Republikaner sehen wenig HandlungsbedarfBild: AP

Nahezu tot ist ein umfassendes Klimaschutzgesetz. Das gab der Präsident bei seiner Pressekonferenz am Tag nach der Kongresswahl selbst zu. "Es gibt eine Menge Republikaner, die gegen das Energiegesetz waren, das im Repräsentantenhaus im letzten Jahr verabschiedet wurde. Es ist also sehr zweifelhaft, dass man ein entsprechendes Gesetz noch einmal in diesem Jahr verabschieden kann, das gilt auch für das nächste und das übernächste Jahr." Es war das einzige Mal, dass er in der einstündigen Pressekonferenz ein Thema anschnitt, das auch im Ausland von Bedeutung ist.

Positiv könnte sich die Stärkung der Republikaner allerdings für alle Fragen bezüglich eines freien Welthandels auswirken, sagt Stephen F. Szabo: "Das bedeutet, dass der Druck, protektionistische Maßnahmen zu ergreifen, in den nächsten zwei Jahren geringer wird."

"Guter Cop, böser Cop"?

Atomanlage Buschehr (Foto: AP)
Atomkonflikt: Die Republikaner fordern schärfere SanktionenBild: AP

In Bezug auf den Atomstreit mit dem Iran erwartet Colin Dueck, dass die Republikaner Präsident Obama drängen werden, den Druck auf die iranische Regierung zu erhöhen und weitere, schärfere Sanktionen zu verabschieden, möglicherweise auch im Alleingang. Der Politikprofessor sagt: "Besonders der konservative Flügel der Republikaner ist der Ansicht, dass Präsident Obama eine schwache nationale Sicherheitspolitik betreibt. Sie werden ihn in mehreren Bereichen unter Druck setzen: Iran, Nahost, Russland, Abrüstung."

Obama könnte sich das zunutze machen, sagt Dueck, und international eine Art "guter Cop, böser Cop" spielen und argumentieren, er selbst sei zu Konzessionen bereit, müsse aber auch auf den Kongress daheim Rücksicht nehmen. Das könnte Obama mehr Einfluss verschaffen. Aber ob Obama sich tatsächlich so verhält, müsse man erst noch abwarten.

Autorin: Christina Bergmann
Redaktion: Christian Walz