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Wahnsinns-Sieg der Tschechen

Wim Abbink20. Juni 2004

Im bisher besten Spiel der Euro 2004 hat Tschechien durch einen 3:2-Sieg gegen die Niederlande das Viertelfinale erreicht. Deutschland dagegen muss nach dem 0:0 gegen Lettland weiter ums Weiterkommen bangen.

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Matchwinner Milan BarosBild: AP

Milan Baros und Vladimier Smicer haben Tschechien ins Viertelfinale der Fußball-Europameisterschaft geschossen. Das Duo vom FC Liverpool krönte beim 3:2 gegen die Niederlande in Aveiro eine unglaubliche Aufholjagd des Vize-Europameisters von 1996. Mit sechs Punkten hat der Tabellenführer der Gruppe D schon vor dem Gruppenfinale gegen die zweitplatzierten Deutschen (zwei Punkte) am Mittwoch den Vorstoß in die K.o-Runde geschafft. Das Oranje-Team ist nun sogar auf tschechische Schützenhilfe angewiesen, gegen Lettland hilft den Niederländern nur ein Sieg.

Vor 31.000 Zuschauern im ausverkauften Estadio Municipal hatten die Niederländer nach Toren von Wilfried Bouma (4. Minute) und Ruud van Nistelrooy (19.) bereits mit 2:0 in Führung gelegen, bevor der Dortmunder Jan Koller (23.), Baros (70.) und Smicer (88.) das Spiel noch umdrehten. Der Niederländer Johnny Heitinga sah in der mitreißenden Partie wegen wiederholten Foulspiels in der 75. Minute Gelb-Rot.

Anfängliche Mühe der Tschechen

EM 2004 Niederlande gegen Tschechien
Bouma und Van Nistelrooy feiern zu frühBild: AP

Bondscoach Dick Advocaat hatte im Vergleich zum Deutschland-Spiel die Offensive seiner Mannschaft gestärkt. Der von einer Oberschenkelzerrung genesene Clarence Seedorf im Mittelfeld und Arjen Robben auf dem linken Flügel gehörten zu den Aktivposten und sorgten permanent für Gefahr vor dem tschechischen Tor. Robben, der für 18 Millionen Euro vom PSV Eindhoven zum FC Chelsea wechseln wird, bereitete beide Treffer der "Oranjes" vor. Beim Führungstor brachte er die Freistoßflanke von der rechten Seite in den Strafraum und bediente den am zweiten Pfosten völlig freistehenden Bouma. Beim 2:0 wurde Robben auf der linken Seite von Edgar Davids in Szene gesetzt und servierte dem aus dem passiven Abseits kommenden van Nistelrooy die Vorlage zum zweiten EM-Treffer des ManU-Stürmers.

Die Tschechen hatten Mühe, sich auf den taktisch variablen Gegner einzustellen, bei dem die etatmäßigen Außenverteidiger Johnny Heitinga und Giovanni van Bronckhorst ins Mittelfeld aufrückten und permanent Druck erzeugten. Der tschechische Trainer Karel Brückner hatte lange über seine Aufstellung gegrübelt. Zunächst wollte er die erfolgreiche deutsche Taktik gegen die Niederlande mit nur einem Stürmer kopieren. Doch dann besetzte er den Angriff wie beim 2:1-Sieg über Lettland mit Koller und Milan Baros vom FC Liverpool.

Hohes Tempo über 90 Minuten

Die Tschechen wollten sich mit einer Niederlage nicht abfinden. Nachdem Koller die erste hochkarätige Chance nach Vorarbeit seines Clubkollegen Tomas Rosicky in der 2. Minute kläglich vergeben hatte, war er zur Stelle, als Baros im Strafraum Jaap Stam austanzte und den Ball an seinen freistehenden Sturmpartner abgab (23.). Kapitän Phillip Cocu hatte den Gegentreffer mit einem Fehlpass im Mittelfeld eingeleitet.

Brückner reagierte sofort, nahm Verteidiger Zdenek Grygera aus dem Spiel und brachte mit Vladimir Smicer einen weiteren Offensivmann (25.). Die Folge war ein sehenswerter Schlagabtausch. Tschechiens Torhüter Petr Cech lenkte mit den Fingerspitzen einen 20-m-Schuss von Heitinga über die Querlatte (32.), bei Kollers Hackentrick sprang nur eine Ecke heraus (37.). Davids traf mit einem Flachschuss aus 22 Metern den Pfosten (43.).

Mit hochkarätigen Chancen auf beiden Seiten und hohem Tempo ging es auch in der zweiten Halbzeit weiter, bis sich die Niederländer nach der unerklärlichen Auswechslung von Robben (59.) plötzlich zurückzogen. Das dicke Ende kam, als Koller den Ball von der Brust abtropfen ließ und Baros aus elf Metern zum 2:2 traf. Nach einem Lattenknaller von Nedved (85.) gelang Smicer schließlich noch das Siegtor.

Im ersten Spiel des Tages in der Gruppe D hatte Deutschland sich in Porto eine enttäuschende Nullnummer gegen EM-Neuling Lettland erlaubt. Das viel zu zaghaften Team von Rudi Völler schaffte es nicht, das Abwehrbollwerk der kampfstarken Balten zu knacken, die ihren ersten Punktgewinn bei der EM-Endrunde feierte.