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Wahre Freunde

Peter Philipp20. August 2002

Während US-Präsident Bush kaum einen Tag vergehen lässt, ohne einen Angriff auf den Irak und den Sturz Saddam Husseins anzudrohen, pflegt man in Moskau alte Freundschaften zum Diktator am Tigris.

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Saddam Hussein freut sich über jede Form der "Solidarität"Bild: AP

Noch im September soll es zur Unterzeichnung eines 40 Milliarden-Dollar-Abkommens über wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Russland und dem Irak kommen. Russische Firmen sollen sich dann verstärkt auf den Bereichen der Erdölproduktion, der Stromversorgung und verschiedener Infrastrukturprojekte engagieren – Bereiche, die nicht unter die Sanktionen der Vereinten Nationen fallen.

Heute bereits sind mindestens 200 russische Unternehmen im Zweistromland tätig, ebenso Vertreter der russischen Rüstungsindustrie. Moskau hat über 15 Milliarden Dollar Außenstände in Bagdad, von denen ein Teil noch aus der Zeit der Sowjetunion stammt, als beide Länder auf fast allen Bereichen eng zusammenarbeiteten.

Politische und wirtschaftliche Ziele


Russland versucht seit Jahren, seine Beziehungen zu Bagdad zu verbessern, um die alten Schulden einzutreiben. Aber es verfolgt mit seiner Umwerbung des irakischen Diktators zugleich langfristige politische und wirtschaftliche Ziele. Trotz aller Freundschaft, die er gegenüber Washington an den Tag legt, sieht Russlands Präsident Putin hier offenbar eine Chance, das außenpolitische Gewicht seines Landes zu vergrößern.

Nicht zuletzt deshalb hat Putin offenbar den Entschluss gefasst, sich in den Staaten zu engagieren, die von Washington als "Achse des Bösen" beschimpft werden. Im Iran hilft Russland seit Jahren, den – einst von Deutschland begonnenen – Atomreaktor bei Bushehr fertig zu stellen. Fünf weitere Nuklearprojekte im Iran sind nach russischen Angaben bereits in Planung. Und auch Nordkorea wird von Moskaus Annäherungs-Politik nicht ausgespart.

Unabhängige Außenpolitik


Saddam Hussein kann das alles nur recht sein: Jede "Solidarität" mit ihm verringert die Gefahr eines amerikanischen Angriffes. Ein solcher Angriff wird immer unwahrscheinlicher, je mehr Bürger befreundeter Staaten dadurch gefährdet würden. Und vielleicht spekuliert der irakische Diktator sogar auf eine Trübung des Verhältnisses zwischen dem Kreml und dem Weißem Haus.

In Washington dürfte man diese Entwicklung mit einiger Sorge beobachten: Einerseits will man die Beziehungen zu Moskau sicher nicht aufs Spiel setzen. Andererseits dürfte es George W. Bush keine große Freude bereiten, wenn sich Putin außenpolitisch allzu stark verselbstständigt – zumal Russland doch offiziell ein voller Partner der amerikanischen Allianz gegen den Terrorismus ist.

Die russische und die irakische Seite zeigen sich bisher eher unbekümmert: Man werde doch wohl eine unabhängige eigene Außenpolitik betreiben können; das Recht beanspruche der US-Präsident ja auch für sich.