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Wandern und Gutes tun

Stefan Dietrich31. Juli 2007

Vor hundert Jahren begründete Robert Baden-Powell in England die Pfadfinderbewegung. Millionen Kinder und Jugendliche in aller Welt feiern in dieser Woche das Jubiläum ihrer Bewegung.

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Junge Pfadfinder - Wölflinge
Wölflinge - so heißen die ganz jungen PfadfinderBild: BdP

Das hätte Robert Baden-Powell sich nicht träumen lassen, als er 1907 ein Pfadfinderlager für 22 englische Jungen organisierte: 40.000 Pfadfinder sind zum "21st World Scout Jamboree" ins südenglischen Chelmsford gereist, Mädchen und Jungen aus 160 Staaten, allein aus Deutschland 5000 Teilnehmer. Es sei einfach eine "irre Stimmung", beschreibt Annika aus Hamburg. "Überall kommen Leute auf einen zu, die man noch nie gesehen hat, und umarmen einen. Es ist echt so ein Kribbeln, so eine feierliche Stimmung in der Luft."

Treffpunkt der Nationen

"Alle Nationen leben hier glücklich zusammen", ergänzt Philip aus Bayern, "alle haben Spaß, singen viel, spielen Trommel - es ist unglaublich!" Unterschiedliche Nationalitäten bilden hier keine Schranken, bestätigt Geoffrey aus Malaysia und zählt auf, aus welchen Ländern er schon Pfadfinder getroffen hat: "Japan, Vereinigtes Königreich, Amerika, Finnland, Saudi-Arabien, Norwegen, Australien – einfach zu viele, um sich an alle zu erinnern."

Zeichnung Robert Baden-Powell, Quelle: picture alliance
Robert Baden-Powell (1857 bis 1941)Bild: picture-alliance/dpa

Die Pfadfinderbewegung ist eben international – weltweit 28 Millionen Kinder und Jugendliche sind Pfadfinder, nur in wenigen, meist autoritären Staaten gibt es keine Verbände. Die Grundlage der weltweiten Bewegung legte der britische General Baden-Powell 1899 mit dem Buch "Aids to Scouting", einer Anleitung für den Kriegskundschafterdienst. Als der pensionierte Militär feststellte, dass in England Jugendliche in Anlehnung an sein Buch "Kundschafter" spielten, entwickelte er sein pädagogisches Pfadfinder-Konzept. Die "Boy Scouts" sollten nicht für den Krieg ausgebildet werden, sondern ihren Mitmenschen helfen und die Umwelt schützen. Ab dem 31. Juli 1907 veranstaltete Baden-Powell das erste Pfadfinderlager auf Brownsea Island.

Gemeinsame Grundprinzipien

Von da an breitete sich die Idee rasch in anderen Ländern aus - zu Baden-Powells Erstaunen auch bei Mädchen. Schon zum ersten Welttreffen 1920 kamen 8000 Scouts aus 27 Nationen. England sei noch immer das Stammland der Pfadfinderbewegung, berichtet Raffaela aus Bayern: "Wenn wir hier irgendwo in Kluft ankommen, sind die sehr hilfsbereit und erkennen Pfadfinder sofort."

Schwarzweißfoto: Pfadfinder mit Zelt
Innerhalb weniger Jahre breitete sich die Pfadfinderbewegung ausBild: picture-alliance/dpa

Weltweit sind allen Pfadfindern einige Grundprinzipien gemeinsam: Freiwilligkeit, Verantwortungsbereitschaft, soziale Gleichheit - deshalb die einheitliche "Kluft" - und ein spiritueller Hintergrund. Natürlich würden Muslime oder Lateinamerikaner dabei andere Akzente setzen als europäische Scouts, sagt Hans-Jürgen Poppek, Vorsitzender des Ringes Deutscher Pfadfinderverbände. "Und in Tropenregionen wird man eine mehrtägige größere Wanderung schon aus pragmatischen Gründen nicht so ansetzen wie in Mitteleuropa."

Fahrten gehören dazu

Aber das ganzheitliche Lernen, die Naturerfahrung und Fahrten gehören in allen Ländern dazu. Auch in Südostasien, erzählt Geoffrey: "Wenn wir in Malaysia wandern, müssen wir nicht so viele Schichten Kleidung tragen wie Pfadfinder in anderen Ländern. Wir neigen dazu, in tiefen Wäldern zu zelten." Als Pfadfinder könne er Dinge tun, die andere nicht könnten, sagt Geoffrey stolz – "wir können zum Beispiel ohne Wasseranschluss und Toilette im Regenwald fünf Tage überleben. Meine Freunde, die keine Scouts sind, schaffen das nur einen Tag."

Prinz William begrüßt Pfadfinder, Quelle: dpa
Prominenter Gast: Prinz William beim World Scout JamboreeBild: picture-alliance/dpa

Ob jemand Christ, Muslim oder Buddhist sei, spiele bei Malaysias Pfadfindern keine Rolle, betont Geoffrey. Beim World Scout Jamboree leben die Religionen ebenfalls im friedlichen Miteinander. "Jede Religion hat auf einem Platz ein Zelt, wo sie sich ausstellt und wo man sich informieren kann", berichtet Annika.

Eigenes Profil trotz gesellschaftlicher Veränderungen

Weltreligionen, Umwelt, globale Entwicklung – die Themen der Projekte beim Pfadfindertreffen zeigen, dass die Scouts entgegen aller Vorurteile nicht altmodisch sind. Was wurde ihnen nicht schon alles vorgeworfen: Militaristisch seien sie, reaktionär, sozialistisch. Die Pfadfinder selbst sehen sich dagegen mitten in der Gesellschaft. Zahlreiche Prominente wie Regisseur Steven Spielberg, Milliardär Bill Gates, US-Präsident John F. Kennedy oder Moderator Harald Schmidt waren Scouts. Und die Pfadfinder ziehen nicht nur durch Wald und Flur, sie helfen auch, wo sie gebraucht werden – aktuell bei den Überschwemmungen in England.

Pfadfinderinnen unterwegs, Quelle: Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder
Naturerfahrung gehört für Pfadfinderinnen dazuBild: BdP

"Die große Chance, die Pfadfinden in den letzten 100 Jahren immer wieder praktiziert hat, ist sich mit den gesellschaftlichen Veränderungen zu entwickeln und trotzdem das eigene Profil der Pädagogik und der Inhalte zu erhalten", stellt Hans-Jürgen Poppek fest. Internet und Computer gehören heute für viele Pfadfindergruppen selbstverständlich dazu, Sportarten wie Surfen, Segeln, Klettern oder Kajak-Fahren ergänzen das traditionelle Wandern. Unverändert bleiben die Ideale der Pfadfinder: "Bei den Pfadfindern ist man sehr sozial, hilft anderen, man lebt in einer Gemeinschaft und fügt sich da ein. Wäre ich nicht bei den Pfadfindern, wäre ich heute nicht so, wie ich bin", meint Annika.

Jeden Tag eine gute Tat

Auf ihre gemeinsamen Werte haben sich alle Pfadfinder durch ihr Pfadfinderversprechen festgelegt. Als Höhepunkt der Jubiläumsfeiern haben am 1. August weltweit Millionen Scouts zu Sonnenaufgang ihr Versprechen feierlich erneuert. Zum Versprechen gehört natürlich auch, anderen Menschen jederzeit zu helfen – nach Baden-Powells Motto "jeden Tag eine gute Tat". Und zum Glück gibt es auch beim World Scout Jamboree reichlich Gelegenheit für gute Taten. "Wir haben heute italienischen Pfadfindern abspülen geholfen, weil die nicht hinterher gekommen sind", erzählt Philip. Und Geoffrey hat ebenfalls eine gute Tat vollbracht: "Ich habe einer Frau ihren Pass und ihre Dokumente wiedergebracht, die sie verloren hatte."